Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 28. Band.1913
Seite: 377
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LEBERECHT MIGGE-BLANKENESE

HAUSGARTEN-TYP AM HANG

DEUTSCHE GARTENKULTUR

I. DAS TYPISCHE AM NEUEN GARTEN

Unsere Gärten und ihre neue Weise sind ja
nun eigentlich schon genugsam geschildert
worden, auch in diesen Blättern. Und, wie es sich
für eine Erstentwicklung fast von selbst versteht
, hoben alle diese Unterhaltungen bewußt
oder unbewußt vorzüglich dasjenige heraus,
was diese einzelnen Gartenerscheinungen voneinander
unterschied. Ihr besonderer Wert,
gegeneinander abgemessen, war es, was interessierte
. Man beschrieb Individuen. Deshalb
soll jetzt auch einmal nachgesehen werden,
was diese Gartengebilde, so verschieden sie
sich einzeln auch gebärden, etwa im ganzen gemeinsam
haben. Wir wollen das Typische am
neuen Gartenleben suchen.

Den Typus hat es im Kulturleben derMensch-
heit immer gegeben. Im Tagesbetriebe selbstverständlich
, aber auch bis in die höchsten
Aeußerungen des Geistes und der Künste
hinauf. Ein wahres Kunstwerk beispielsweise
ist ohne typische Merkmale nicht denkbar,
ja diese sind oft förmlich seine Legitimation,
und umgekehrt birgt ein vollkommener Typ,
auf welchem Gebiete es auch sei, immer eine
kleine Schöpfung, einen Funken göttlicher Kraft
in sich. Nehmen wir die Homer, Phidias
Dante oder Kant, ja selbst Buddha oder Jesus,
sie sind, geschichtlich gesehen — gewiß noch
vieles mehr, aber doch auch wesentlich:

einfach gewaltige Erreger der Welt zu typischem
Formen, Denken und Fühlen gewesen. Und
gleichwie Lionardo da Vinci wahrscheinlich
nicht der Schöpfer der Monna Lisa geworden
wäre, wenn nicht hundert Madonnen vor ihm
ebenso wie vor einem Corregio und Raffael
gemalt worden wären inmitten eines alle begeisternden
Madonnenkultus, so wären auch
solche berauschenden Gartenbilder, wie etwa
die nie wiederholten Feinheiten in den Gärten
der Villa d' Este in Tivoli, nicht denkbar ohne
Vorgängerschaft. Auch schöngeistig pflegt der
Tat eine Homogenität der geistigen Masse sozusagen
vorauszugehen.

Solche Vorgängerschaft finden wir denn auch
in der Gartengeschichte allenthalben, sogar
recht handgreiflich. Bei ihrer Hervorrufung
hatten geistige und materielle Einflüsse in fast
gleichem Maße Anteil. Wenn man will, kann
man schon den Nutzgarten als einen Gartentyp
bezeichnen. Auf seiner Erfahrung erstand
mittelbar die Gartenrhythmik ganzer Zeiten.
Denn deren spätere Ziergärten sind oft nichts
anderes als eine inhaltliche und rhythmische
Steigerung der Gemüse-, Kraut- und Obstgärten
, die ihnen vorangingen.

Im Mittelalter war z. B. der „Würz- und
Blumengarten" eine feststehende Gartenform,
die in ihrer Verbindung von Nutz- und Zier-

Dekorative Kunst. XVI. 8. Mai 1913

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