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LEBERECHT MIGGE-BLANKENESE
HAUSGARTEN-TYP IM WALDE
garten dem praktischen Sinn jener Zeit und
ihren beschränkten Mitteln typisch entsprach.
Auch die sogenannte „Blumenwiese", ein Rasen,
von Blüten durchwirkt, mit einem Brunnen
in der Mitte und rings von Bäumen umstanden
, war ein oft und gleichmäßig wiederkehrender
Gartenteil. Gerade solche Ausschnitte
aus größeren Gartenentwicklungen scheinen
in ihrer einmal niedergeschlagenen Form soviel
Erfahrung verkörpert und soviel Sympathie
gefunden zu haben, daß sie die Gärten fast
aller Völker und Zeiten als feststehende Einrichtungen
begleiten konnten. Da war der
sogenannte „Baumgarten", den wir als schattenspendenden
, früchtetragenden oder auch
religiösem Kulte dienenden Hain aus allerlei
Bäumen schon im Altertum bei den Aegyptern,
Persern, Griechen und Mauren, dann auch im
Mittelalter und bei den Niederländern wiederfinden
. Ich denke ferner an das „Parterre", die
„Orangerie" und das „Labyrinth", die vom französischen
Garten kamen. Ich denke auch an
Laubengänge und Alleen, an die Terrassenform
als uraltes Mittel, Höhenunterschiede im Gelände
zu überwinden, an Fontänen und Kaskaden
als rhythmische Demonstration des Wassers
und an vieles mehr. Es war dann nur ein
weiterer Schritt innerhalb eines vorgeschriebenen
Werdeganges, wenn die Ausstattung und
die Gruppierung solcher beliebten und bevorzugten
Garteneinrichtungen sehr bald bestimmten
, allgemein gültigen Gesetzen unterstellt
wurde, beeinflußt lediglich durch den Geist
und die Machtmittel ihres Schöpfers. Der
typische Garten wurde zum Träger und Erreger
schöngeistiger Werte.
Worauf es ankommt, aber ist, daß das alles
Gärten und Gartenteile sind, die, so sehr sie uns
jetzt von der geschichtlichen Perspektive aus als
individuell und fast spontan entstanden zu sein
scheinen, dennoch wesentliche Ergebnisse des
Gartenwillens einer Vielheit innerhalb einer
längeren oder kürzeren Spanne Zeit darstellen.
Es ist durch nichts begründet, und es hilft
uns nicht, darauf zu hoffen, daß der Gartenprozeß
unserer Zeit anders geartet sein möchte.
Im Gegenteil, wenn irgend eine Generation, so
werden wir es sein, die von der allgemein gül-
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