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Georg Römer gänzlich aufgehoben. Man hat
wirklich das Gefühl, in einen freundlich überdeckten
Garten, in eine moderne Orangerie zu
treten. Die Pfeiler, auf vier Meter Höhe mit
Steinzeugplatten in Grau und Grünviolett verkleidet
, tragen die leichtgetönten Putzwände.
Die Brunnenhalle ist ähnlich gehalten, nur
empfängt sie starkes Oberlicht für den Quellenhof
, der in einiger Vertiefung unter Glas und
Rahmen die kostbaren Sprudel zeigt. In blanken
Bronzeleitungen fließen die Wasser jetzt jedem
Durstigen ins Glas, eine unmittelbare Berührung
der Quellen ist nicht mehr möglich.
Auf eine höchst originelle Art hat Littmann
den Platz für das Orchester ausgenutzt:
es ist an das nördliche Ende der Wandelhalle
eingebaut und zwar — meines Wissens zum
erstenmal — auf einer um 180° drehbaren
Bühne. Dadurch ist es nun möglich, bei gutem
Wetter in den Kurgarten hinaus und bei
schlechtem Wetter in die Wandelhalle hinein zu
musizieren, wobei die Resonanzmuschel stets
für den räumlichen Abschluß der Nische, sei
es nach innen oder nach außen, bestens sorgt.
Als kleiner Sonderbau ist der Maxbrunnen
(S. 508) durch einen offenen niedrigen Tempel
mit Portikus in Sandstein ausgeführt. Irgend
eine umfänglichere Gestaltung verbot sich an
dieser Stelle mit Rücksicht auf den erwünschten
offenen Blick in den Kurgarten von der Straße
und den angrenzenden Hotels aus. Sowohl
bei diesem Pavillon wie auch bei der großen
Betonhalle hatte der Architekt mit ganz ungewöhnlichen
Schwierigkeiten bei der Fundierung
zu kämpfen. Der starke Gehalt an
Kohlensäure sowie der Schlamm des Grundes
machten besondere Senkbrunnen in Eisenbeton
notwendig. Der Säuregehalt der Heilquellen
wiederum bedingte eine besonders harte
Legierung für die Leitungsrohre und verbot
die Verwendung von Marmor zu dekorativen
Zwecken. Macht man sich ferner klar, daß
z. B. die große Wandelhalle einen Flächenraum
von 3282 qm bedeckt, so wird man die Energie
und Schnelligkeit, mit der der Bau binnen
eines Winters hergestellt wurde, doppelt anerkennen
müssen.
Auch für das Kurhaus war die Frist kurz
bemessen, das Bauprogramm aber recht ausgedehnt
. Wie der Lageplan zeigt, hat dieser
sogenannte „Regentenbau" drei exponierte
Schauseiten. Es gibt sicherlich Kurhäuser genug
, die ihre Eingangsfront gewichtiger zur
Schau stellen, als es diese eingezogene Schmalfront
hinter dem kleinen Platze tut (Abb.
S. 489). Und doch wird man dem Architekten
dankbar sein müssen für seine taktvolle Zurückhaltung
, die ihm eine recht intime Platzwirkung
ermöglichte, wo eine vordringlichere Fassadengestaltung
, ohne ihrerseits zur Geltung zu
kommen, bestenfalls ein paar schmale Anlagen
gestattet haben würde. Es sind immer noch
die Maße und Bogenstellungen der alten Arkaden
„von nebenan", die auch hier den Grundton
angeben, aber dieser Ton hat seine Sprödig-
keit verloren. In anmutiger elliptischer Schwellung
tritt die Terrasse über der Unterfahrt
hervor, elliptisch entsprechend eingezogen,
weicht die Mittelfront des Hauptvestibüls zurück
und gibt den Blick frei auf das mäßig
geneigte Schieferdach mit seiner wohlabgewogenen
kupfergedeckten Kuppelhaube. Die
ganze graugrüne Sandsteinfront gewinnt durch
dieses barocke Motiv ein festlich verhaltenes
Leben, das durch die niedere Platzmauer samt
Ecksäule nach der lebhaften Brückenstraße zu
wohltuend distanziert wird.
Nördlich springen zwei Risalite mit antikisierenden
Giebeln vor, westlich zur Saale hin
und unmittelbar neben der neuen Ludwigsbrücke
entwickelt der Bau als korrespondierendes
Motiv zur Gegenseite eine ausgerundete
Front durchlaufender Doppelsäulen (Abb.
S. 491), die auf ihren hohen Postamenten fast
freistehend die Attika tragen und mit Entschiedenheit
eine monumentale Wirkung anstreben
. Hier, wo kein Gegenüber stört und
der Bau über Entfernungen hinweg beherrschend
sichtbar werden will, war dieser dekorative
Aufwand gewiß am Platze. Am wenigsten
günstig entfaltet die Architektur sich nach
Süden (Abb. S. 492), wo die Lese- und Schreibsäle
mit der breit aufgesetzten Flachkuppel
eher wie Anbauten wirken. Der glattgefügte
Mainsandstein, mit dem die Ziegelmauern verkleidet
sind, hat einen ausgesucht schönen
Ton und ist auch bei den dekorativen Putten
des Bildhauers Rudolf Henn verwendet, die
die Unterfahrtsbogen bekrönen.
Durch eineVorhalle, einen gewölbten Kassenflur
führt der Weg in das hohe Hauptvestibül
(Abb. S. 493/94). Es ist in beiden Geschossen
weiß gehalten, mit dunklen Eichentüren, grauem
Terrazzo-Fußboden und gelbgrauen Marmorbalustraden
und ist im Mittelfelde der gewölbten
Decke mit einem großen und in den
lichten Farben sehr lebhaften Gemälde „Orpheus
" von Julius Mössel geschmückt. Von
dem Vestibül führen die Treppen zur Saalgalerie
und den Terrassen des Obergeschosses.
Außerdem öffnen sich hier fünf Flügeltüren
zum großen Festsaal (Abb. S. 496).
Er bildet ein vertieftes Rechteck mit dem
Halbrund des Podiums am unteren Ende, zeigt
Reihenpfeiler, die unten geschlossen und auf
der Galerie mit ihren hohen Seitenfenstern offen
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