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THEODOR SCHMUZ-BAUDISZ a WANDTELLER MIT UNTERGLASUR-MALEREI a R. PREUSZ
Kgl. Porzellan-Manufaktur, Berlin
150 JAHRE KÖNIGLICHE BERLINER PORZELLAN-MANUFAKTUR
Die Stilgeschichte des Porzellans ist das
schwierigste unter allen kunstgewerblichen
Kapiteln. Das macht, es ist zunächst
seinem ganzen Wesen nach ein orientalisches
Kunsthandwerk. Aber es wäre ebenso falsch,
diesen Ursprung stilistisch abzuschwören, weil
in der Tat die Erfindung des Porzellans für
die europäische Fabrikation von neuem gemacht
werden mußte, wie sich sklavisch an
die orientalische Stilkunst zu halten. Es ist
wichtig zu wissen, daß Florenz schon im
16. Jahrhundert ein Porzellan fabriziert hat,
dessen Arkanum bald wieder verloren ging.
Und man darf vor allem nicht übersehen, daß
es ein Deutscher war, der unser heutiges
europäisches Porzellan entdeckt hat. Ebenso
stark also wie der Orient ist das Barock des
18. Jahrhunderts an der Formung der weißen
Porzellanerde, des Kaolin, zusammen mit
weißen Flußmitteln, beteiligt und die höfische
Kultur dieses Jahrhunderts, die sich in dem
glasigen Weißbrand einen vornehmeren Sohn
der heimatlichen bäuerischen Töpferei und des
bürgerlichen Fayence schuf. Natürlich kam
alles auf die richtige Mischung, das „ Arkanum",
des Kaolin mit kieselsäurehaltigen Mineralien
an, wie Kreide, Marmor, Feldspat oder Quarzsand
. Alchimisten und Abenteurer setzten
ihr Leben aufs Spiel, die traurigen Schicksale
Johann Friedrich Böttgers, eines Mannes bei
aller Schwarzkunst von eminentem Wissen in
Chemie und Mathematik, spricht allein Bände
dafür, daß das Porzellan in Europa europäisch
sein darf. Endlich am 28. März 1709 konnte
der Erfinder des roten Böttger-Steinzeugs dem
König von Sachsen schreiben, daß es ihm gelungen
sei, „den guten weißen Porcelain herzustellen
samt der allerfeinsten Glasur und
allem zugehörigen Mahlwerk, welcher dem
ostindischen wo nicht vor, doch wenigstens
gleich kommen soll".
Gegenüber diesem ersten europäischen Hartporzellan
mußten sich Frankreich und England,
in denen gleicherweise Abenteuerlust und Wissenschaft
den glasigen Tonkunstwerken Chinas
nachspürten, noch ein halbes Jahrhundert mit
dem päte tendre begnügen. Es ist eine Geschichte
für sich, wie Wien, Berlin und schließlich
fast alle Höfe Deutschlands sich durch Bestechungen
und Entführungen um das mühsam
bewahrte Geheimnis des Meißener „Arka-
nums" bewarben. Wien hatte durch seine
politische Stellung einen Vorsprung und fand
schon 1717 Ueberläufer, die ihm die Gründung
einer eigenen Manufaktur ermöglichten.
Nicht nur die beispiellosen Erfolge und
der für damalige Zeiten märchenhafte Ueber-
schuß der Meißener Manufaktur von 1Va Millionen
in der Zeit von 1731 bis 1753, auch
das künstlerisch-höfische Interesse, das mit
diesen Chinoiserien liebäugelte, machen es
sehr erklärlich, daß Friedrichs des Großen
Einzug in Sachsen auch ein Eroberungszug auf
dem Gebiete dieses königlichen Gewerbes
Dekorative Kunst. XVI. n. Auyust 1913
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