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Einmal läßt das Scharffeuer des Glasurbrandes
nicht eine solche Vielfarbigkeit zu,
wie der spätere Muffelbrand für das Einbrennen
von Malereien über der Glasur. Und damit
war auch das Flächige der ersteren Art
gegeben, einer Spritz- und Schabtechnik, die
sich außergewöhnlich bewährt hat und ganz
vortrefflich bei der farbigen Modellierung
unseres Dackelbildes erkenntlich ist. Diese
Malerei unter der Glasur ist ihrem Wesen
nach flächig und kann so erst reizvoll die
Schatten und Lichter der Form unterstützen.
Während die dekorativen Reize als solche
wie bei der Vase in der Zeichnung selbst und
den vollen kräftigen Farbenakkorden ganz zur
Geltung kommen. Wo, wie bei der Figur der
Salome, eine ausgesprochene Zeichnung zum
Ausdruck kommen soll, durchbricht die Ueber-
glasurmalereitechnik gelegentlich das Prinzip
der rein modellierenden Malerei. Sie ist in
dem Amberg'schen Hochzeitstafelaufsatz, eine
Arbeit, die man dem Geschenk für die Kaiserin
Katharina an die Seite stellen muß, zu prächtigem
Dekor geworden. Immer mit der Absicht, daß
die beiden Prinzipien der Porzellanmalerei
hier sich gegenseitig bereichern, aber nicht
aufheben.
Die Modellierung selbst ist dem durch
Magermittel zur äußersten Grenze der Bildsamkeit
gelangten Material angepaßt und hat
sich endlich gemäß seinem Feuergeist und
seiner Launenhaftigkeit zu großzügig temperamentvollen
Formen aufgerafft, wie „Die Jagd
nach dem Amor", zu einer gesteigerten künstlerischen
Ausdeutung der Bewegung, wie gelegentlich
der feierlichen Ruhe.
Und abermals hat in allerneuester Zeit, —
denn wer sich mit diesen reizbaren Materialien
beschäftigt, lernt nie aus, — Schmuz-Baudiß
selbst in seinem Ceres-Service eine sehr innige
Verquickung von modelliertem Dekor mit
bunter Malerei geschaffen. Ein Geschirr, das
ohne Zweifel eine Höhe der Porzellankunst
bedeutet, die Berlin ganz allein zufällt. Hier
ist Strenge der Form und ihre farbige Belebung
zusammengeschmolzen zu einer freudigen Stileinheit
, wie sie nur das eingehendste Studium
des Materials erzwingen kann. Der große
Semper würde an diesem Geschirr seine helle
Freude haben. Wilhelm Mieszner
EINE AMTSKETTE VON ERNST RIEGEL
TVJachdem Riegel vor drei Jahren den Auf-
1\| trag für eine Amtskette des Oberbürgermeisters
der Stadt Leipzig ausgeführt hatte,
fiel ihm neuerdings die Aufgabe zu, für den
Stadtverordneten-Vorsteher derselben Stadt eine
ähnliche Insignie herzustellen mit der Bedingung,
daß sie in ihrer Wirkung den schweren Eindruck
der ersten Arbeit vermeiden sollte. Bis zu
einem gewissen Grade ist es dem Künstler
auch gelungen, die architektonische Wucht der
ersten Kette durch die leichter aufgefaßten
Zwischenglieder mit den Palmettenteilen und
durch eine größere Farbigkeit zu mildern. Der
Gesamteindruck ist flächiger geworden, aber
nicht eintöniger. Die vielen gebogenen Linien
und die Rankenumrahmungen der einzelnen
Schilde lassen das Licht zwar lebhafter spielen,
wie mir indessen scheinen will, nicht zu unbedingtem
Vorteil für die Gesamtwirkung, die
etwas Unruhiges und Flimmerndes erhält, was
bei Frauenschmuck nur ungern vermißt wird,
mir aber bei einem für bestimmte repräsentative
Zwecke vorgesehenen Werk nicht recht
geeignet dünkt. Immerhin erscheint Riegel im
Vergleich zu anderen Künstlern, denen ähnliche
Aufgaben im Laufe der letzten Jahre
gestellt wurden, als die geeignetste Kraft und
die befähigtste Persönlichkeit, der in dem Vorwurf
liegenden Schwierigkeiten Herr zu werden.
Einige kurze Bemerkungen mögen die Abbildung
(S.536) erläutern: Das Material ist durchweg
Gold, die Technik Handarbeit. Die dreizehn
Schilde mit Architekturbildern, die sich
an das vorn in der Mitte angebrachte Stadtwappen
anschließen, zeigen in Handtreibarbeit
vor einem weißemaillierten goldgestirnten Hintergrund
die vier Baulichkeiten, in denen die
Stadtverordneten bisher tagten: Altes Rathaus,
Alte Börse, I. Bürgerschule, Neues Rathaus
und drei hervorragende Leipziger Architekturdenkmäler
: das ehemalige Grimmaische und
Peterstor und als Gegenstück zu dem Stadtwappen
im Nackenschild das Völkerschlachtdenkmal
. Diese Bildfelder werden durch sechs
stilisierte, bunt emaillierte Linden, das Wahrzeichen
von Leipzig, auf Lapislazuli-Grund
voneinander getrennt und mit jenen durch
Palmettenglieder verbunden. Der an Ketten
herabhängende Anhänger zeigt auf weißem mit
Sternen und Spiralen gemusterten Grunde ebenfalls
eine stilisierte Linde, deren Umrahmung
auf schwarzem Grunde die Embleme von Kunst,
Wissenschaft, Handel und Industrie aufweist
und auf Lapislazuli die Inschrift: Leipzig 1913.
Die Rückseite des Anhängers führt auf goldenem
, wiederum von Lapislazuli umrahmten
Mittelfelde eine Widmung.
Dr. Otto Pelka
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