Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 28. Band.1913
Seite: 561
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I

WERA FOKINA

Truppe traten die Einzelerscheinungen viel
weniger hervor als die Ensembles. Wo aber
einmal die Persönlichkeit eines Solisten sich
vorschob, da war ihre Wirksamkeit hauptsächlich
dadurch bedingt, daß er die ganze Truppe als
Folie hatte. Und vielleicht dürfen wir in dieser
merkwürdigen Erscheinungetwas Gesetzmäßiges
erkennen; nämlich, daß die Aesthetik des Tanzes
mehr durch das Ensemble, die Psychologie
durch die Individualitäten begründet ist. Die
ästhetisch nachhaltigsten Eindrücke haben uns
bei den Russen die prachtvoll komponierten,
mit sicherstem Geschmack gegeneinander abgewogenen
Massen vermittelt. Die mit großer
Sicherheit exekutierten gleichmäßigen Bewegungen
, eine allen Mitwirkenden gemeinsame natürliche
Grazie, nicht einstudiert wie die üblen und
üblichen Bewegungen der Ballerinnen unserer
deutschen Hoftheater-Korps, die ihre Existenzberechtigung
im künstlerischen Sinn längst
verloren haben und nur mehr amouröser Belustigung
zu dienen imstande sind. Bei den
Russen ist jene Grazie, wenn nicht angeboren,
Erziehungsresultat. Wir wissen von den Ballettschulen
in Rußland, die auf konzentrierte Grazie
hinwirken, und in denen etwas von dem, was
in Frank Wedekinds Tänzerinnen-Erziehungsroman
„Mine-Haha" blaueste Utopie scheint,

ASSYRISCHER TANZ

zu erfrischender Wahrheit geworden ist. Diesen
Persönlichkeitscharme hat dem Russischen Ballett
jeder einzelne Künstler und jede einzelne
Künstlerin der Truppe beizusteuern. Er trägt
zur Durchgeistigung der Gesamtwirkung bei,
ohne daß er die Gefahr in sich trüge, die
Gemeinsamkeit und Ausgeglichenheit des Ensembles
zu zerschlagen. Denn diese Künstler
verfügen obendrein über Takt und über Disziplin
im veredelten Sinne. Sehr stark ist die Gemeinsamkeit
durch das koloristische Ensemble betont
. Prachtvolle Farbenwirkungen, starke und
zarte, gibt es. Es bleiben farbige Erinnerungen
von eminentester Einprägsamkeit.

Bei den Solisten tritt in verstärktem Maße
hervor, was bei dem Ensemble anmerkenswert
erscheint. Alle Leistungen sind bei ihnen bis
zum Aeußersten getrieben. Ihre Pantomimik
geht bis zur Grenze der Karikatur. Ihr Tempo
ist wilder. Ihre Zuständlichkeit plastischer.
Aber trotzdem sind in ihnen die gleichen Farben
und die gleichen Substanzen wie in der Gesamtheit
. Die Elemente sind die gleichen.
Vielleicht sind sie ein wenig anders gemischt,
aber vielleicht auch das nicht . . .

Bei oberflächlichem Betrachten mag man glauben
, das Besondere an diesem Ballett sei der sla-
vische Volksliedton, zu dem sich eine angeflogene

ft

3

Dekorative Kunst. XVI. 12. September 1913

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