http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_30_1914/0041
DER GESTIEFELTE KATER
IGNATIUS TASCHNER-BERLIN
HANS IM GLUCK
ergießt sich plötzlich in einen weiträumigen
Platz, auf dem wie eine Ueberraschung einem
das Brunnenbecken mit seinen mannigfaltigen
Wasserkünsten, mit seinen sprudelnden Quellen
, seinen speienden Fröschen, seinen plätschernden
Urnen entgegenrauscht (Abb. S. 20
u.21). Den Abschluß macht eine durchbrochene
Säulenarchitektur, durch die sich ein Blick in
ein neues Spektakulum öffnet, in ein umhegtes
Rondell mit einer hoch aufschäumenden Fontäne.
Ueberall ist, wie man sieht, mit den Illusionskünsten
des Barock gearbeitet. Das Gelände
um das große Brunnenbecken weitet sich in
der Richtung der Tore. Die Architekturmasse
scheint die Hecken auseinanderbiegen zu wollen,
sie wächst für das Empfinden, wird größer
und gewaltiger und wird zu einer mächtigen
Kulisse für das leichte Spiel der Wasser in
dem Becken, dem sie Halt und Abschluß bietet
. Die Wasserfläche ist durch ein Kaskadensystem
und durch einen Einzug an der Mittelachse
ins Heitere, Tändelnde aufgelöst. Seine
Breitflächigkeit, die im Effekt wiederum auf
die Architektur gedrückt hätte, ist mit den
Mitteln gemildert worden, die dem Wasser das
für die Kinder anziehende Element: die mannigfaltige
Bewegung geben. Am Rand nun, auch
den Patschhändchen greifbar nahe, stehen die
Märchengruppen: das Schneewittchen mit den
sieben Zwergen, das Rotkäppchen mit dem Wolf,
der gestiefelte Kater, Dornröschen, Aschenbrödel
und wie sie alle heißen.
Jenseits der Säulenarchitektur, die reizvolle
Durchblicke mancherlei Art bietet, öffnet sich
ein großes Rondell mit einem Rundbecken,
dessen flach gehaltener Rand von vier Puttengruppen
besetzt ist. Die doppelte Anzahl Steingruppen
von Georg Wrba, ergötzliche und
verdrießliche Szenen aus dem Kinderleben
(Abb. S. 28), sind hineingedrückt in den von
der geschorenen Hecke gezogenen Kreis. Ein
paar Kästen mit roten Blüten auf gleich hohen
Postamenten geben noch einen farbigen Akzent
in diese bei aller Liebenswürdigkeit gestrenge
Gestaltung. Ein zweites Tor, flankiert von ein
paar Rauchschen Tiergruppen, öffnet sich von
hier in den eigentlichen Friedrichshain, in dem
gleich vor dem Brunnen und als eine Art
selbstverständlicher Ergänzung noch ein Sandspielplatz
angelegt werden mußte.
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