Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 30. Band.1914
Seite: 548
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lieh der Werkkunst widmen, sondern daneben
flott den freien Künsten dienen, und man ver- i
gaß auch manchen, der in diesem Kreis ei- |
gentlich nicht hätte fehlen sollen. Einige I
mochten auch selbst nicht kommen, z. B. Kolo I
Moser, für den man dann in zwölfter Stunde 1
einen etwas unvollkommenen Ersatz in Martin '
Dülfer fand, der ausschließlich Architekt ist
und in seinem Raum nur Architekturzeichnungen
und Photographien der von ihm ausge- |
führten Bauten zeigt. Uebrigens machten es sich i
auch die anderen „Apostel" leicht. Die meisten j
behalfen sich mit Photographien, und fast alle I
zogen es vor, nicht bis in ihre Anfänge zurück- I
zugreifen, sondern sich auf ihre Produktion j
in den letzten fünf Jahren zu beschränken,
gleichsam als möchten sie sich zu ihren Frühwerken
nicht mehr bekennen. So kam denn /
auch bei dieser, mit so viel Spannung erwarteten
Abteilung nicht viel heraus. (
Ein quantitativ sehr breiter Raum, 1400 qm |
der Haupthalle, wie der Katalog sagt, sind den |
Schulen, oder wie man sich interessanter aus- I
drückte: den „künstlerischen Erziehungsmethoden
", eingeräumt worden: sie sollen den Blick
vorwärts, in die Werkbund-Zukunft lenken,
wie ihn jene Sonderausstellung der „Apostel", (
wenn sie nach Wunsch ausgefallen wäre, zurückgewendet
hätte. Zweiundzwanzig Kunstgewerbeschulen
und verwandte Anstalten sind in |
dieser Gruppe vertreten, und es kommen noch j
etliche im „Haus der Frau" und bei den Oester- <
reichern die Wiener Kunstgewerbeschule hinzu.
Man hat uns dabei nach echter Ausstellungsart
natürlich nur eine Schau geboten, eine
Parade, eine Auslese. Einblick in die Er- i
Ziehungsmethoden selbst gewinnt man nicht: j
dieses Moment herauszuarbeiten, fiel niemandem
ein. So kommt auch nirgends der Zug (
der Gemeinsamkeit, der Einheitlichkeit zum (
Vorschein, nirgends ist eingemeinsamer Nenner *
aufzutreiben für die unzähligen Zähler. Gewiß, )
die von Paul geleitete Berliner Kunstgewerbe- J
schule breitet nicht minder als die von R. )
Meyer dirigierte Hamburger ein vorzügliches t
Material aus — aber wo ist das System, wo |
die „allgemeine gültige Methode", wo kann (
ich mich über den besten Lehrgang unter- (
richten? Der Katalog sagt sehr weise: „Einen (
Normallehrgang für die Erziehung zur künst- j
lerischen Produktion gibt es nicht." Sondern, )
meint der Katalog, das vorbildliche Schaffen /
des Lehrers müsse überall den Schüler an- )
regen. Ganz recht, aber man weiß, was aus r
dieser Anregung durch „das vorbildliche Schaf- (
fen des Lehrers" entspringt: Imitatorentum. C
Der „Geist" endet, und die „Dressur" trium- w
phiert. y

„Ausstellung auserlesener Einzelstücke alter
und neuer Zeit" etwas zu gewaltsam vorschreiben
will, wie wir es mit Schön und
Häßlich, mit Gut und Schlecht in kunstgewerblichen
Dingen zu halten haben. Gewiß sind
in dieser Kollektion vorzügliche Dinge, und
wenn man einmal eingesehen hat, daß es bei
Ausstellungen ohne Bluffs nicht abgehen kann,
so wird man sich sogar mit der snobistischen
Nebeneinanderstellung des Heribertschreins
und des von Olbrich entworfenen „berühmten"
Schreibtisches für GeheimratLewald befreunden
können. Aber es ist kaum möglich, all das, was
uns Herr Osthaus in dem von Lauweriks bedenklich
chinesisch arrangierten Raum als „auserlesene
Einzelstücke" anpreist und einreden
will, auch dafür zu nehmen. Man hätte diesen
Raum nicht zulassen sollen. Wir sehen es ja,
daß der Werkbund selbst über Gut und Schlecht
noch nicht im klaren ist; die „Tagung" ist uns
dessen der deutlichste Beweis. Und darum
ist auch die Zeit der offiziellen Wertabstem-
pelung noch nicht gekommen. Der Heribertschrein
ist gut — das dürfen wir sagen, ohne
uns zu überheben, denn zu diesen Werken
alter Kunst besitzen wir die Distanz, die uns
ein Urteil erlaubt. Aber es wird sich erst
erweisen müssen, ob in Jahrzehnten das Urteil
über die Arbeiten von Schmidt-Rottluff,
Lauweriks, Milly Steger und Thorn-Prikker
nicht gerechtfertigte Modifikationen erfährt.

Aehnlich verhält es sich mit der von der
Ausstellung beschlossenen Einsetzung der
„Zwölf Apostel" der angewandten Kunst.
Man dachte daran, der zeitgenössischen Produktion
der Werkkunst das gegenüberzustellen, was
vor etwa zwanzig oder fünfzehn Jahren, als
die Bewegung in Fluß kam, an interessanten
und besonders bezeichnenden Werken geschaffen
wurde. Der Gedanke war gut, aber die
Form, in der man ihn verwirklichte, ist es nicht.
Man wurde dabei zu persönlich. Man bestimmte
kurzerhand zwölf Künstler, dekretierte sie als
„Apostel" und lud sie ein, in der „Sonderausstellung
einzelner Werkbundkünstler" nach
ihrem Geschmack in einer, jedem einzelnen
zur Verfügung gestellten Koje eine retrospektive
Ausstellung ihrer Arbeiten zu veranstalten.
Nun bat man freilich auch echte Führer und
wirkliche Rufer im Streit; man gewann van
de Velde, Riemerschmid, Obrist, Paul, Behrens,
Joseph Hoffmann und gedachte auch der Toten,
indem man für Joseph M. Olbrich und Otto
Eckmann Sonderausstellungen bereit stellte.
Aber man lud auch Künstler ein, die nicht
von Anbeginn bei der Bewegung standen,
sondern erst sozusagen die zweite Generation
bilden, und solche, die sich nicht ausschließ-

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