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K. SCHMOLL VON EISENWERTH
maier in Erfüllung gehen. Seine zur Reife
gelangte künstlerische Kraft drängte danach,
sich auf großen Flächen auszuleben und nichts
konnte ihm daher willkommener sein, als daß
man ihm diese Möglichkeit verschaffte, indem
man ihm 1911 beim Bau des neuen Stuttgarter
Kunstgebäudes die malerische Ausstattung
eines Raumes übertrug. So entstand als
Schmuck der Hauptwand das „Parisurteil"
(Abb. S. 99), eine Darstellung, aus der man
die ganze Freude des Künstlers am freien Gestalten
herausfühlt. Der kleine intime Saal
bedingte zarte Töne und komplizierte Formen.
Die prachtvoll bewegte Gruppe der sich entkleidenden
Göttinnen bildet einen wirksamen
Kontrast zu der ruhigen Haltung ihres Gegenübers
, wo der Götterbote Hermes und der
neben ihm stehende Paris wie geblendet von
den Wundern weiblicher Schönheit in stummem
Staunen verharren. Verlegen hält der
Sohn des Priamos den Erisapfel empor, unschlüssig
, welche Entscheidung er treffen soll.
Beide Bildhälften werden zusammengefaßt
durch zwei Säulen im Hintergrund, zwischen
denen der Blick hinabgleitet auf ein anmutiges
tiefgelegenes Flußtal. — Nachdem Schmoll
von Eisenwerth mit diesem Gemälde eine vielversprechende
Probe seines Könnens abgelegt
hatte, folgten bald weitere bedeutende Aufträge
. Der Bann war gebrochen. Und schon
1912 sehen wir den Künstler mit einer großen
Komposition für den Hauptsaal der Tübinger
Universitätsbibliothek und mit vier kleineren
dekorativen Bildern für die Hofloge des neuen
Theaters in Stuttgart, das sogenannte „Neue
Haus", beschäftigt. Wiederum ist es ein klassisches
Thema, mit dem er der Pflegestätte
der Wissenschaften eine würdige Zierde verleiht
. Ueber einer durch zwei Pfeiler gegliederten
Nische fügt er das mächtige Wandbild
„Odysseus in der Unterwelt" ein (Abb. S. 100).
Bei einer Ausdehnung von 9'/2 m schließt es
oben im Halbrund ab, eine Fläche, deren Bewältigung
eine ungewöhnliche Geschicklich-
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