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ARCH. RUNGE &, SCOTLAND-BREMEN
LANDHAUS IN BREMEN-VAHR: STRASZENSEITE
HERMANN MUTHESIUS UBER DIE ZUKUNFT
DER DEUTSCHEN FORM
Was Muthesius auf der Versammlung
des Deutschen Werkbunds in Köln im
Juli 1914 über die Exportfähigkeit des deutschen
Kunstgewerbes und über das Typische
des deutschen Kunstgewerbes sprach, das erfährt
in einem soeben vorgelegten Heft „Die
Zukunft der deutschen Form" (Deutsche Verlagsanstalt
, Stuttgart) eine Erweiterung und Vertiefung
, wird namentlich mehr von der theoretischen
Seite her angesehen, nachdem es im
Augenblick praktisch doch unverwertbar ist,
und in Zusammenhang gebracht mit unserem
Kampf und unserer Not in dieser Zeit. Die
Einleitung holt weit aus, fördert aber auch
sehr wertvolles Tatsachenmaterial zutage. Namentlich
zwischen der oft gehörten Frage:
Warum sind die Deutschen so unbeliebt? und
der anderen Frage: Haben die Deutschen ihre
eigene „Form", die Form auch in Lebenshaltung
und täglichem Umgang? werden beziehungsreiche
Fäden geknüpft. So klagt Muthesius
mit Recht darüber, daß Deutschland,
das sich zu einer ersten Weltmacht emporgearbeitet
habe, ohne den äußeren Apparat
einer Weltmacht geblieben sei, ohne Repräsentation
, ohne Pflege der äußeren Symbole
der Stellung, ohne weltmännische Formen.
Das habe sich in den ersten Monaten des
Krieges bitter gerächt und so könne es künftighin
nicht bleiben. Der Mangel an repräsentativer
Veranlagung des Deutschen wird durch
das Beispiel erklärt, daß Deutschland einem
Manne gleicht, der in übertriebener Arbeitsamkeit
und mit Anspannung aller Energie sich
Güter, Stellung und Bedeutung errungen, aber
seine Aufmerksamkeit nicht in gleicher Weise
auf das Gefällige, Verbindliche, Anziehende gerichtet
hat. Die einseitige Tüchtigkeit, Tüchtigkeit
ohne Liebenswürdigkeit, Tüchtigkeit ohne
„Form", hat Deutschland unbeliebt gemacht.
Alle anderen Völker, die Bedeutung in der Weltentwicklung
erlangten, haben einen lebhaften
Sinn für die Form bekundet . . . Nachdem mit
viel Ernst und Nachdruck gegen die deutsche
Fremdländerei Stellung genommen wird, die
uns in den Augen der Welt verächtlich macht
und unsere deutsche Form, namentlich auf
dem Gebiet der bildenden Künste, zerschlägt,
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