Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 35. Band.1917
Seite: 50
(PDF, 137 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_35_1917/0070
welchen Schaden gute Kunst und Literatur
dadurch erfuhr, auch heute noch erfährt, daß
unreife Künstler vorzeitig und lärmend auf
den Schild gehoben werden, kann man Geibels
Warnung nur anerkennen.

Bei unseren Bestrebungen, den Dilettantismus
, der seiner Natur nach kunstlos ist, ins
Künstlerische zu veredeln, mag man mit Nutzen
an den folgenden Spruch denken:

Die Welt ist reich und wohlberaten,
Nur zäume nicht das Pferd am Schwanz,
Wolle die Nachtigall nicht braten,
Und nicht singen lehren die Gans.

Molieres berühmten Spruch wandelt Geibel
sehr hübsch auf seine bilderreiche Weise ab,
wenn er sagt:

Woher ich dies und das genommen,
Was geht's euch an, wenn es nur mein ward!
Fragt ihr, ist das Gewölb vollkommen,
"Woher gebrochen jeder Stein ward?

Geibel hat sich gern als einen Epigonen
bezeichnet und dabei an Goethe gedacht. Das
ist ja wohl wahr. In der Tat steckte in ihm,
wie in seiner ganzen Generation, noch viel vom
18. Jahrhundert und so frischt er auch nur eine
Weise des Rokoko auf, wenn er so oft ein Epigramm
gegen die Kritiker macht:

Nur sachte, kritisches Geschlecht!

Es dünkt dein Spruch uns sehr erläßlich;

Du urteilst über Schön und Häßlich,

Und weißt nicht mehr, was Gut und Schlecht.

Wenn diese Zeilen nur oberflächlich sind,
so haben die folgenden heute noch Wert.

Wie seltsam haben sich die Sachen

In unsrer Kunstkritik gedreht!

An jedem Werk denselben Fehler machen,

Heißt heutzutag Originalität.

Dagegen bietet er im Nachstehenden eine
alte Weisheit, deren Gültigkeit mir fraglich erscheint
, obschon sie durch Leonardos Autorität
gedeckt wird, dessen berühmten Ausspruch
Geibel allerdings in beherzigenswerter Weise
korrigiert.

Hältst du Natur getreu im Augenmerk,
Frommt jeder tüchtige Meister dir;
Doch klammerst dich bloß an Menschenwerk,
Wird alles, was du schaffst, Manier.

So scharf Geibel auch gegen Besserwisserei
der Kritik war, so ließ er ein warmes und
kluges Wort doch gern gelten:

Wie reich du dich in Lob ergehst,
Das wird des Künstlers Mut nicht stärken;
Nein, tadle gern an seinen Werken,
Doch zeig ihm, daß du ihn verstehst.

Aus Geibels Freundeskreis scheint ein
Spruch zu stammen, der verschiedenen Malern
zugeschrieben wird: Wir können kein Licht
auf die Palette spritzen! Am besten hat er ihn
aber selbst gefaßt.

Das reine Licht läßt sich nicht malen;
Die Dinge mal' in seinen Strahlen,
So werden an den festen Massen
Wir auch des Lichtes Wesen fassen.

Hieran sieht man vielleicht am besten, wie
sehr es sich verlohnt, auch heute noch auf
Geibels Sentenzen über Kunst zurückzugreifen.

OSWALD ACHENBACH

BOOTE IM SONNENLICHT (ÖLSTUDIE)

Besitzer: Benno v. Achenbach, Berlin

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