Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 35. Band.1917
Seite: 225
(PDF, 137 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_35_1917/0259
eines großen Ereignisses empfunden werde und
uns selbst in Wallung versetze, so sind bei den
Schöpfungen der eigentlichen Künste alle Verhältnisse
ihrer Entstehung bleibend sichtbar,
und der Wille steht in ihnen im Momente
seiner ganzen Pracht, im Akte des Schaffens
vor uns als Gleichnis.

Das Kunstwerk ist die Auseinandersetzung
des wollenden Wesens des erschaffenden Künstlers
mit dem Kulturgrade des Zeitalters, in dem
es entsteht. So sehen wir denn die primitiven
Erzeugnisse aller Völker von einer faszinierenden
, hinreißenden Einheit und Macht des persönlichen
Willens, als herrlich reine Zeugen
eines ersten Wunsches nach Hohem.

Einer dahineilenden Welle gleicht die Entwicklung
der Kunst, und wo das Tal ist, sind
auch schon die Kräfte da, welche es auftürmen
zum sausenden Kamm.

Es ist irreführend, barbarische Zeitalter als
unkünstlerisch zu bewerten. Immer ist die
zeugende Natur am Werke. Und Ehrfurcht
haben wir auch vor dem Stammelnden, wenn
wir Primitives verstanden haben.

Die Geschichte der Menschenseele ist in der
alten Kunst zu lesen, und sie vermittelt uns die
Befähigung, auch an die zeitgenössische mit der
nötigen Voraussetzungslosigkeit heranzutreten.

Da das Kunstwerk Ausdruck eines Willens
ist, so trägt es auch den Stempel der Einheit,
die Harmonie. Um so vollkommener wird das
Ebenmaß des Kunswerkes sein, je machtvoller
der Wille war, der die Widerstände überwand,
und um so mehr wird er in die Erscheinung
treten, je größer die Widerstände waren, die
im Stofflichen und im herrschenden Zeitgeiste
zu überwinden waren.

In dieser Einheit, die den Betrachtenden
von allem Zwiespalt erlöst, beruht die weihevolle
Wirkung, welche von großer Kunst ausgestrahlt
wird.

Wir alle aber wünschen jene Harmonie des
Empfindens und des Tuns, welche im Kunstwerke
ihren bleibenden Ausdruck gefunden
hat, das uns daher Ruhepunkt und Zuflucht
und Aneiferung zum Streben nach Kraft und
Reinheit ist.

Das Erleben des Künstlers ist im Kunstwerke
ewig geworden, und es bedarf nur der
Berührung eines gleichschwingenden Instrumentes
, um ein Mitklingen zu bewirken. Die
Kunstwerke sind das ewige Feuer, an dem
sich der Genius immer von neuem entzündet,
um als Feuersäule eine drohende Wolke zu gebären
, welche die Erde von neuem befruchtet.

Alles Große ist sich verwandt.

CARL EBBINGHAUS

SIMSON (BRONZE)

Die Kunst für Alle XXXII.

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