Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 35. Band.1917
Seite: 350
(PDF, 137 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_35_1917/0396
der „Neuen Secession" ausgestellte „Trauernde
Familie" beweiskräftig war für die physiologische
Kraft, die der Farbe des jungen Künstlers
erreichbar ist, nähern wir uns dem auf
Seite 347 abgebildeten „Ruhenden Mädchen".

Die etwas gezierte Haltung der an sich pre-
tiösen Gestalt und der idyllische Charakter
des ganzen Themas hatTeutsch durchaus nicht,
wie man vermuten könnte, zur Süßlichkeit verführt
. Der männlich kraftvolle Farbencharakter
anderer Werke verbürgt uns, daß hier
lediglich dem beabsichtigten Ausdruck zuliebe
die Palette abgeschwächt wurde. Das Werk ist
ein wunderschönes Gedicht aus Schatten und
Sonne, aus kühlen Tönen der im Grau ihrer
Pfähle zusammengefaßten Veranda und der
schattigen Hügelwelle und aus warmen der sonnigen
Partien des linken Mittelgrundes und
der Flußlandschaft rechts, eine Welt aus Raum
und Licht, in welche die Farbe lyrisch eingebettet
ist wie diese Ruhende selbst mit dem
bläulich abgestuften, hellen, ein wenig ins Rosa
gehenden Braun ihres weiß ausgeschlagenen
Kostüms auf dem wiederum bläulich abgetönten
Weiß des Ruhebettes, das die Töne der
Lämmer auf der schattigen Hügelwelle so angenehm
aufnehmen.

Zwei weitere Abbildungen endlich machen
auf ein zyklisches Werk des Künstlers aufmerksam
, das sich das schöne alte Thema von
Mutter und Kind zur Versinnbildlichung
menschlicher Zustände entsprechend dem Charakter
der vier Jahreszeiten zunutze macht.
Hier abgebildet sind die Stücke Herbst und
Frühling, die durch Auffassung, Format und
Farbenwahl die Fähigkeit der neuen Kunstweise
erhärten, großzügig und schmückend zu
wirken, ohne sich eines einzigen jener stilistischen
Notbehelfe zu bedienen, die den verschiedenen
„dekorativen" Manieren einer bösen
Uebergangszeit so geläufig waren. Hier ist
von kunstgewerblichen Umrißzaubereien, von
der Leere plakatartig zusammengesetzter Farbenflächen
, von all der koloristisch gespreizten
Oberflächlichkeit, die einmal das Um und
Auf der modernen Wandmalerei bedeutete,
wahrlich nichts zu spüren. Daß ein Gemälde
großen Formates in strenger Qualitätsmalerei
auch bis hinab zu feinen Linieneinzelheiten
durchgeführt werden kann, ohne darüber die
schmückende, die architektonische Haltung zu
verlieren, ohne zur zerdehnten Illustration,
zum mechanisch vergrößerten Staffeleibild zu
werden, diese schöne Möglichkeit war seit
langer Zeit nur noch mit Museumsmaterial zu
belegen gewesen, denn just der Erfüllung dieser
schweren Aufgabe der Malerei stand die
stilistische Abhängigkeit der älteren Richtungen
ebenso hemmend im Wege wie der oft
allzu wagemutige, allzu ungeduldige Experimentiergeist
der Jüngsten.

Die Form Teutschs ist im Hinblick auf diese
Gegenpole nicht vermittelnd, sondern so wie sie
ist, durchaus natürlich erwachsen, eine eigene,
keine kunstgeschichtlich abhängige, eklektisch
abgeleitete Form, aber auch keine willkürliche
Hieroglyphe, kein unkontrollierbares Sinnbild
ebenso unkontrollierbarer subjektiver Wallungen
. Ein phantasievoller, aber kein phantastisch
ausschweifender Kunstwille vollzog hier die
Synthese, die Vermählung mit der Vernunft
der malerisch darstellbaren Gegebenheiten.

Walther Teutsch, in Kronstadt (Siebenbürgen
) beheimatet, lebt und wirkt in München,
hervorgegangen aus der Schule H. v. Habermanns
, dessen Lehrtätigkeit gerade die Selbständigkeit
dieses Schülers ein glänzendes
Denkmal gesetzt hat.

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