Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 35. Band.1917
Seite: 374
(PDF, 137 MB)
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meist, in der Schule verkannt, vielleicht fortgejagt
zu werden. Jeder, der sich mit der Beantwortung
der Seidlitzschen Frage nach dem
Erkennen der besonders Begabten abgeben
will, wird mit Nutzen einen Blick in das Ost-
waldsche Buch „Große Männer" werfen —
es handelt von Naturforschern — wenn er
über dessen seltsame Idee von der ausschließlichen
Produktivität der Jugendlichen hinwegsieht
. Das zweite Merkmal des wahren Adels
aber ist bei genial veranlagten Naturen das
tiefinnerste Bedürfnis zum verehrungsvollen
Anschluß an eine sympathische vorbildliche
Persönlichkeit, vielleicht allerdings gar einer
dahingeschiedenen. Auch die Größe deutschen
Gelehrtenruhms beruht auf dieser auf
den Universitäten gegebenen Möglichkeit der
Nähe zwischen Jungen und Alten ohne sonderlichen
Schulzwang. Zum dritten hat das
Genie das Bedürfnis, Zentren des Umgangs
aufzusuchen, in der ihm die notwendige Reibung
mit Gleichstrebenden gegeben ist, welche
die Funken herausschlägt; das ist ihm in
dem Meisteratelier der Kunststädte gegeben.
Die große Masse will etwas anderes: sie will
für ihr Schulgeld etwas lernen, wovon sie
leben kann.

Anders formuliert heißt die Reformfrage:
Wie können wir den Kunstunterricht in unserer
Zeit wieder so gestalten, daß er sich möglichst
wieder der Altmeisterausbildung nähert,
nach welcher der Knabe vom zartesten Alter
in der Werkstatt jahrelang in die gesunden,
niedrigen technischen Werkstattgepflogenheiten
eingeführt wurde, auf welchen ein wesentlicher
Teil der Größe alter Kunst beruhte, und wie
können wir so die Verheerungen wieder reparieren
, welche der moderne Großbetrieb über
die Gediegenheit alter Technik gebracht? Es
sei nur erinnert an den Verlust des Altmeistermalverfahrens
, welchen in den Jahrzehnten
von 1780—1820 die moderne Farbenchemie
mit sich brachte. Dabei war in den alten
Epochen bei den Größten wie den Kleinsten
die freie Kunst mit dem Dekorativen
und Architektonischen eng verknüpft. Wer
eine Geschichte der Dekoration schreiben
will, wird immer wieder von den griechischen
Zeiten ab, an den großen Wendepunkten
bei den führenden Geistern der großen
Kunst, bei den Donatello, den Dürer, einkehren
müssen.

Auch ein Hinblick auf eine andere Kunst
kann die Reformfrage formulieren helfen: die

KÄTHE KOLLWITZ

HAMBURGER KNEIPE (RADIERUNG)

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