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HAUS WIEDE IN TREBSEN GARTENANSICHT UND GRUNDRISZ VOR DEM UMBAU
VOM ÄUSZEREN DES HAUSES*)
I
m allgemeinen ist der Bauherr der Ansicht, daß die
äußere Gestaltung des Hauses Sache des Architekten
sei, daß er davon nichts verstände. Aber
eine Sorge pflegt ihm merkwürdigerweise von Anfang
an am Herzen zu liegen, es ist die Sorge um
den Stil. Die Frage, in welchem Stil das Haus zu
bauen sei, wird gewöhnlich schon bei der ersten
Verhandlung an den Architekten gerichtet. Viele
Bauherren kommen auch gleich mit dem Wunsch
nach einem bestimmten Stil heran. Am meisten
*) Aus: Hermann Muthesius, Wie baue ich mein Haus? —
Verlag F. Bruckmann, A.-G., München.
ERDGESCHOSS
„gefragt" ist in unseren Tagen der Biedermeierstil
; Biedermeier wird von einem gewissen Teil
des Publikums für den Gipfel des Geschmackes
gehalten; es scheint eine wahrhaft berückende Wirkung
auf seine Verehrer auszuüben. Andere wieder
wollen französischen Stil, holländischen, süddeutschen
, Schweizer Stil. Der Bauherr setzt voraus,
daß selbstverständlich auch den Architekten, sobald
er an den Entwurf eines Hauses denkt, in allererster
Linie derartige Stilsorgen bewegten. Demgegenüber
muß gesagt werden, daß sich die Frage
der Gestaltung des Hauses in der Vorstellung jedes
wirklich ernst schaffenden Baukünstlers
völlig anders abspielt.
Stilgesichtspunkte liegen ihm
ganz fern, sie sind für ihn ein
überwundener Standpunkt. Nur
das Publikum ist heute noch stilwütig
. Was der Architekt, abgesehen
von der Erfüllung des
Bedürfnisses, erstrebt, ist nicht,
einen historischen, einen ausländischen
oder etwa den sogenannten
„modernen" Stil anzuwenden
, sondern gute Architektur
zu machen. Worin gute
Architektur besteht, darüber
gibt es im allgemeinen kaum
zweierlei Meinungen. Geschlossener
, wohlgeordneter Aufbau
der Massen, gute Verhältnisse
im ganzen und im einzelnen,
Einheitlichkeit des Bauwerkes
in Form und Farbe, das sind
einige Kennzeichen der guten
Architektur. Der Architekt erstrebt
darüber hinaus, das innere
Wesen des Bauwerkes in
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