Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 40. Band.1919
Seite: 273
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JOSEF MADLENER-AMENDINGEN SONNTAGS-AUSFLUG

SCHERENSCHNITTE UND SCHATTENBILDER

Die Kunstgeschichte — soviel steht fest —
hat sich um diese Schwarzkünstler nie sonderlich
gekümmert. Sie sind ja vielleicht auch
noch nicht historisch genug, denn Porträt-
Scherenschnitte reichen nur bis etwa in die Mitte
des 18. Jahrhunderts zurück, bis zu jenem französischen
Finanzminister Silhouet, der sich mit
seinen Steuern unter Ludwig XV. äußerst unbeliebt
machte. Die Pariser rümpften die Nase
über diese Manöver, die Armut des Staatssäckels
zu bekämpfen. Kümmerliche Angelegenheiten erhielten
die Kennzeichnung „ä la Silhouet", und die
aus schwarzem Papier geschnittenen Porträts,
die um dieselbe Zeit von irgend einem sparsam
findigen Kopfe als billiger und neuester „Kupferstich
-Ersatz" in die Welt gesetzt wurden, gingen
alsbald unter der Marke „Silhouets". Aber mochte
die vornehme Welt der Armseligkeit dieser Kleinkunst
spotten und sie als Dilettantismus abtun
, — Leute, die keinen Rigaud, Pesne oder
La Tour bezahlen konnten, kleine Leute, die
aber auch ihren bescheidenen Hausbedarf an
Familienporträts befriedigen wollten, fanden es
amüsant, sich diese schwarzen Scherenschnitte
gegenseitig zu verehren und unter Glas und
Rahmen an die Wand zu hängen. Es war, denkt
man an die Farbenfreude des Rokoko, gewiß

ein pikanter Gegensatz, das dekorative Schwarzweiß
und die geblümten Möbelstoffe, die vergoldeten
Salonstühle und geschweiften Leisten,
dazu die rauschende, knisternde Seide der Gewänder
. Vielleicht war aus dem Bedürfnis solcher
Gegensätzlichkeiten der Scherenschnitt so
außerordentlich rasch populär geworden. Wieder
einmal etwas ganz anderes: puritanisch,
primitiv, noch nie dagewesen!

Für uns Nachgeborene sind die Schattenrisse
unweigerlich mit Goethe und Weimar verknüpft.
Im Goethehause am Frauenplan, im Gartenzimmer
hängen sie bis zur Lebensgröße an den
Wänden. Lavater betrieb seine phantastische
Physiognomik vorzüglichmit Hilfe von Silhouetten
, er bestellte sich aber (im Mai 1780) auch
bei Goethen „ganze Staturen vom Herzog, Dir,
Wedeln, der Stein, der Herzoginn. Bitte! Bitte!"
In diesen achtziger Jahren blühte an der Ilm
die Technik des Scherenschnittes erstaunlich
fruchtbar, und in allerlei Abarten, Verschönerungen
, Differenzierungen: man tuschte und
zeichnete an den nüchternen Konturen herum,
das Spitzenjabot, die gepuderte Lockenpracht
duftiger herauszubringen. Man setzte die schwarzen
Kopf- und Brustbilder recht preziös als Medaillons
in gestochene Umrahmungen.

Dekorative Kunst. XXII. 9. Juni 1919

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