Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 41. Band.1920
Seite: 88
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PH. O. RUNGE

nur, wie er über seinen ersten Besuch bei
Goethe an seine Braut berichtet. Er wußte,
daß er sich neben Großen und Größten nach
seiner Weise behaupten durfte. Und Überhebung
war wahrlich nicht sein Laster.

Auch Runge hat „Tageszeiten" geschaffen ;
ja, sie machen den Inhalt seines Lebens und
Wirkens aus. Alles andere galt ihm nur als
Nebenher und Studie zu diesem Werk. In
Zeichnungen und Stichen hat er ganz deutlich
gesagt, was er mit seinen „Tageszeiten" im
Sinne hatte. Und dann wollte er dies Werk
auch malen, in vier Ölbildern, deren jedes 8 Fuß
hoch ; kostbare Versuche dazu sind erhalten ;
aber dabei ist es geblieben. Wir Heutigen wissen
, warum man dergleichen wohl zeichnen und
radieren, aber nicht malen kann. Es sei denn
mit ganz naturfreier Expression.

Wie sehen sie aus, diese Zeichnungen und
Stiche ?

Glänzende Frühwolken schwimmen im All;
stillen Wandels rollt die Erde hindurch. Davor
sprießt die neue Lichtkraft strahlgerade
empor — eine Lilie. Auf ihrer Krone sitzt ein
Kranz von Kindern, die sich liebreich umschlingen
; über ihren Häuptern funkelt der

RUHE AUF DER FLUCHT NACH ÄGYPTEN

Stern des neuen Tages. Aber noch nicht das
ganze Gebilde ist erschlossen: in gleichmäßigen
Bogen zweigen vier Lilienkelche vom Mittelschaft
ab ; auf den Wölbungen sitzen vier
musizierende Knäblein; Triangel, Flöte und
Mandoline haben den zirpenden Silberklang ungetrübten
Kinderlachens; nur die Pansflöte
mischt einen noch traumbefangenen Klang hinein
. Aus den niedergebogenen Kelchen fallen
die frischen Rosen der Frühe ins All hinab.

Es ist Tag geworden. Die Lichtlilie steht
hoch oben am Himmelsrande ; ein Ornamentkreis
von aufgereihten Kornblumen schwebt um
sie her ; denn bei vollem Tage blickt niemand zur
Sonne —aber in jedem Händewerk,in jedem Brotkorn
spiegelt sich dem Fühlenden ihre Kraft und
Güte. Farren- und Blattgeflecht bilden unten im
saubergehegten Menschengarten eine bergende
Scheibe ; hier herzt und nährt die Mutter ihre
Kleinsten. Größere — ein Knabe und ein
Mädchen — wandern seitwärts hin ans Tagewerk
und wenden sich grüßend zurück. Ein
weiteres Paar ist schon — blumenpflückend,
denn es sind Kinder — bei seiner Arbeit.
Früchte und Blumen, aber auch Brennesseln,
stehen am Wege. Eine Glockenblume und eine

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