Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 41. Band.1920
Seite: 90
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PH. O. RUNGE

DIE MUTTER DES KÜNSTLERS. ZEICHNUNG

Kunsthallc, Hamburg

Hyazinthe ragen hoch auf; bei ihnen verharrt
je ein Kind gedankenvoll, ein Hüter des geregelten
Tagesablaufes. Weit ins Blaue hinein
prangt bei den Knaben ein Ährenbündel, bei
den Mädchen Flachs.

Am Abend sinkt die Lichtlilie mit ihrem
doppelten Kinderchor hinter der nebelumflorten
Erde ab. Der Knabe, der am Morgen mit der
Rechten himmelan wies, hält nun beide Arme herabschwebend
ausgebreitet. Rosenzweige neigen
sich von den Seiten der Mitte zu, wie herabgleitende
Deckel. Die Musik des Tages ist durch
Trompete und Posaune verstärkt; aber sie verklingt
in der Tiefe. Vom Sternenhimmel senkt
sich, auf Mohnstauden ruhend, Mutter Nacht
hernieder ; geheimnisvoll aus ihrem bauschigen
Mantel heraus weht es wie Waldhorntöne.

Dann ist Dunkel auf die Erde herabgestiegen.
Eine einzige Sonnenblume steht da, wie eine
Laterne. Dämmerig glüht der Phlox aus Finsternis
; Storchschnabelpflanzen hocken herum
wie Nachtvögel. In Lauben ruht links und rechts
ein schlummerndes Paar. Mohn beherrscht den

Himmelsbereich. Hier sitzt die Nacht, das sinnende
Haupt geneigt; auf den Stengeln der
herabhängenden Blüten schweben zu ihren Seiten
acht Kinder mit traumwunderlichen Gebärden.

Um jedes Bild schließt sich ein Rahmen, der
mit gleichen Zierformen ähnliche Gedanken fortspinnt
. Das Ganze in strengster Umrißzeichnung
, wie auf griechischen Vasen, - - wie auf
den Stichen, die man damals nach klassischen
Bildwerken zeichnete, — wie auf Flaxmans
Homer — und Dantebildern. Alles in fast ungelöster
Symmetrie; in wohllautenden Kurven,
die das Gefühl schmeichelnd nötigen, den musikalischen
Gedanken mitzuerleben.

Das Ölbild des „Morgen" freilich — wir kennen
es aus gezeichneten und gemalten Entwürfen
und aus Bruchstücken .— sah anders aus: alles
körperlicher, greifbarer, irdischer. Eine wirkliche
Wiese, von wirklichem Morgenlicht umflossen
. Ein wirkliches Kind, die Händchen
ausbreitend, liegt der neugeborene Tag da . . .
Aber was die Farbe an verdeutlichender Kraft
zubrachte, das verlor die Linie, deren sugge-

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