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EMIL PREETORIUS AUS DEM MAPPENWERK „BILDNISSE" (LITHOGRAPHIEN)
Kurt Wolff, Verlag, München
Laufe der Jahre noch eine große Reihe überaus
rühriger Firmen gesellte, traten im Verein mit
unseren bedeutendsten Künstlern als Pioniere
der Buchkunst auf und wirkten in mannigfaltigster
Weise zur Belebung dieses wichtigen Kulturfaktors
der bildenden Kunst.
Dank diesen Bemühungen wird das gute Buch
heute allmählich ein Allgemeingut des deutschen
Volkes. Der Begriff des Bibliophilen hat sich geändert
; man findet nicht mehr so viel den Bücherwurm
, der sich in Folianten vergräbt, sondern begegnet
immer häufiger dem Buchästheten, der auf
die Ausstattung ebensolchen Wert legt wie der gebildete
Mensch auf seine Kleidung und die harmonische
Ausgestaltung seiner Wohnung und
Umgebung. Wenn trotzdem noch in weiten
Kreisen eine gewisse Unkenntnis der zur künstlerischen
Gestaltung des Buches erforderlichen
Bedingungen herrscht, so fehlt es nicht an regen
Kräften, um auch hier im Laufe der Zeit einen
Wandel zu schaffen.
Das gute Buch bedarf mannigfaltiger Pflege.
Nur derjenige Künstler ist berufen es zu schaffen
, dem die verschiedensten Eigenschaften innewohnen
. Er muß ohne Preisgabe seiner eigenen
Persönlichkeit so sehr in den Geist des Schriftstellers
eindringen und zu dessen Nachschöpfer
werden, daß Inhalt und Form auf das Engste
miteinander verweben, zu einer künstlerischen
Harmonie verschmelzen.
Bereits das Typographische erfordert viel
graphisches Feingefühl. Das Satzbild muß an
sich eine Geschlossenheit darstellen und auch
ohne jede ornamentale oder sonstwie zeichnerische
Beigabe ein künstlerisches Gefüge bilden.
Die Illustration muß sich ihm so eng anschmiegen
, daß sie nicht als Eigenwert existiert,
sondern ihr höchstes Ziel in dem Zusammenklang
von Text und Textbild erblickt. Das erfordert
den mit feinstem künstlerischen Instinkt
begabten Zeichner, der die Linie durchaus
zu meistern und den Strich in allen Nuancen
abzuschätzen versteht. Dem Wesen des Buches
entsprechend muß der Künstler mit Linien und
Flächen arbeiten und darf sich nicht — wie bei
anderen graphischen Werken — zu Tiefenwirkungen
verleiten lassen, die wohl dem Bild an sich
eine größere Lebendigkeit verleihen können,
dem Buchcharakter aber zuwiderlaufen. Hierbei
ist es ganz gleichgültig, ob es sich um Illustrationen
handelt, die — wie Initialen, Vignetten
, Rand- oder Kopfleisten — in den Text
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