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CH. G. SCHÜTZ
WEISSENAU
DIE NEUGEORDNETEN BAYERISCHEN STAATSGALERIEN
I. DIE NEUE PINAKOTHEK
Seit etwa einem Jahrzehnt, seit der leider nur
so episodären Wirksamkeit Hugo von Tschu-
dis in München, sind die bayerischen Gemäldegalerien
aus ihrer Erstarrung erwacht und seither
in ständigem Fluß geblieben. Nicht nur
für Werke älterer Kunst wurde zum Grundsatz
gemacht, einen kräftigen wechselseitigen
Austausch zwischen der Münchner Zentralgalerie
und den über die Provinz verstreuten
Filialgalerien in die Wege zu leiten, Werke, die
für die internationale Kunstentwicklung Interesse
haben, nach München zu dirigieren und die für
die Lokalschulen kennzeichnenden Stücke in
die Filialgalerien zu versetzen: auch für die
Gemälde einer jüngeren Vergangenheit und der
Gegenwart, die früher fast ausschließlich durch
Ankauf in den Kunstausstellungen erworben
wurden, kam und kommt jetzt dieses Verfahren
in Anwendung. Es ist im allgemeinen oft
übersehen worden, daß besonders die Schleiß-
heimer Galerie neben ihren fast unausschöpf-
baren Beständen an Werken älterer Kunst einen
rechten Schatz von bedeutenden Gemälden des
neunzehnten Jahrhunderts birgt (oder barg,
muß man jetzt wohl sagen). Hans von Marees'
köstliches Gesamtwerk hatte man schon vor
Jahren hereingeholt, während man die Kollektionen
von Karl von Pidoll, A. Langhammer
und Wilhelm Dürr zunächst noch in der Stille
des verschlafenen bayerischen Versailles beläßt.
Dagegen tat man jetzt einen Griff nach anderer
Richtung in den Schleißheimer Gemäldeschatz
und nahm von den Gemälden der Münchner
Meister aus der ersten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts, besonders von Wilhelm von Kobell
und von Enhuber, Werke herein, die draußen
von den Besuchern entweder gar nicht gefunden
oder regelmäßig übersehen wurden; in München
hing man sie an bevorzugte Plätze. Ebenso
wurden die Augsburger Galerie, die ein besonders
schönes Gemälde J. A. Kochs einlieferte
, und die fast unbekannte Aschaffenburger
Die Kunst fllr Alle. XXXV. 7/8. Januar 1920
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