http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_41_1920/0233
JOHANN WILHELM SCHIRMER
Auch Johann Wilhelm Schirmer gehört zu
l denen, die bei Lebzeiten berühmt und gefeiert
waren und dann, als eine „neue Richtung"
über ihr Werk wegbrandete, vergessen wurden —
nicht von allen natürlich, aber von der großen
Öffentlichkeit der sogenannten Kunstfreunde —,
bis ihnen nach einiger Zeit Gerechtigkeit widerfuhr
, und die Sonne ihres Ruhmes, die im
Westen untergegangen war, an einem hellen
Morgen neu zu strahlen begann.
Mißbilligende oder wenigstens geringschätzende
Vorstellungen und Schlagworte von Düsseldorfer
Landschaftsmalerei und von biblischer
Staffage verbanden sich mit dem Namen Johann
Wilhelm Schirmer, bis eines Tages fleißige Sammeltätigkeit
zusammenbrachte, was sich noch in
Familien- und anderweitigem Privatbesitz von
intimen Werken, von Studien und kleinen Gemälden
Schirmers vorfand, es in einer köstlichen
Ausstellung vorwies und damit die Revision
des rasch fertigen Urteils bewirkte.
Eine im November 1919 in der Galerie Heinemann
in München veranstaltete, außerordentlich
verdienstvolle Ausstellung von etwa achtzig
Werken Schirmers brachte für die zeitgenössischen
Kunstfreunde eine neue Blickeinstellung
auf den Künstler, die in den Zeiten der Hochblüte
des Impressionismus wahrscheinlich nicht
mit so viel Bereitwilligkeit und nicht mit der
auf dem Fuße folgenden Begeisterung erfolgt
wäre, wie es heute geschehen könnte, da man
nach festen Werten und nach Anschluß an die
seinerzeit jäh abgerissene Tradition lechzt.
Für Schirmers Biographie ist damit das Interesse
wieder aufgewacht, und es ist wieder
Neigung vorhanden, den Spuren seiner Entwicklung
nachzugehen.
Schirmer ist Rheinländer; in Jülich ist er
am 5. September 1807 als Sohn eines Buchbinders
geboren; der Vater stammte aus Schlesien
, die Mutter aus Stuttgart, sie war die
Tochter eines adeligen Advokaten. Der junge
Die Kunst für Alle. XXXV. 11/12. März 1920
197
27
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_41_1920/0233