Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 42. Band.1920
Seite: 72
(PDF, 108 MB)
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K. ROTH MÜLLERMÜNCHEN
NADELN IN GOLD
UND SILBER

ZWEI PERLSCHALEN
, OPALE, BAROCK
-PERLEN U.
RUBINEN

PERLE, OPALE,
RUBINEN UND
OL1VINEN

GRÜNER OPAL,
OLIVINEN UND
PERLEN

die Begriffssprache umsetzen, welche die Wirkungen
bezeichnet, die das unter der einen oder
der anderen Konstellation geborene Kunstwerk
auslöst, so sagen wir: in einem Falle arbeitet der
Künstler auf die „Macht des Ausdrucks", im
anderen auf die „Schönheit des Ausdrucks".

Wir sehen, es sind nur verschiedene Formen des
Betrachtens, die zu den Gegensatzbegriffen führen
, die in den vorstehenden kurzen Sätzen auftauchen
. Betrachten wir die Erscheinungen, von
denen wir sprachen, unter dem Gesichtswinkel der
Struktur des schaffenden Individuums, so kommen
wir zum Gegensatz „Skelett" und „Muskel",
sofern wir die Sache „p h y s i s c h",—zu dem Gegensatz
„geistig" und „sinnlich", sofern wir sie „psychisch
" auffassen. Dem entspricht der Gegensatz
„struktiv" und „dekorativ", wenn wir das schöpferische
Ergebnis vom materiellen (physischen
) Gesichtspunkte betrachten, während wir
zum Gegensatz „abstrakt" und „organisch" kommen
, wenn dies vom immateriellen (psychischen)
Gesichtspunkt aus geschieht. Betrachten wir die
gleichen Erscheinungen vom Standpunkt der
schöpferischen Absicht, so kommen wir zu
einem Gegensatz, der vom Schöpfer aus gesehen,
in die Begriffe „Charakter" und Form", vom Beschauer
aus gesehen, in die Begriffe „Macht" und

„Schönheit" gefaßt werden können. Betrachten
wir sie endlich unter dem kleinsten Gesichtswinkel
, nämlich dem eines historischen Ausschnittes
und seiner zufälligen Nomenklatur, so kommen
wir zu dem Gegensatz „gotisch" und „antikisch".

Wenn man die mehr zünftige oder mehr gelegentliche
Kunstphilosophie unserer Tage ins
Auge faßt, so sieht man in ihr ein Ringen um
den Ausdruck für diese Polaritätsbegriffe, die
der natürliche Wellengang künstlerischer Entwicklung
gemäß dem Aufbau unseres dualistischen
Menschentums jeweilig in den Vordergrund
schiebt. Oft leiden wir an einer gequälten
Durchführung der einmal gewählten polaren
Bezeichnungen, wenn sie durch die enge Gasse
der wirklichen Erscheinungen hindurchgeführt
werden, weil das eine Begriffspaar angesichts
verschiedener Standpunkte des Betrachtens nicht
recht genügen will. Erst wenn man sich klar
macht, daß die verschiedenen, im letzten Grunde
verwandten Begriffe nicht willkürliche Worte
sind, sondern gleichsam die Sehstrahlen verschiedener
Standpunkte festhalten, wird das
Problem faßbarer, - - es wird plastisch, wie alle
Dinge, bei denen man es möglich macht, sie von
verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten.
(Der Schluß folgt)

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