http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_42_1920/0110
ARCH. P. BIRKEN HOLZ-ZÜRICH
WOHNHAUS IN ZÜRICH: KORRIDOR IM DACHSTOCK
Abstrakten vordringen, geht er vom Geistig-
Abstrakten aus, so kann er mehr oder minder
weit zum Sinnlich-Organischen vordringen; von
der einen Seite muß er stets die Hand nach
der anderen ausstrecken. So gibt es für jede
Kunstäußerung gleichsam einen Schnittpunkt,
wo die beiden polaren Begriffe sich in der
Praxis berühren, und es ist bei jedem einzelnen
Kunstwerk die Frage, wieweit seine Kraftlinie
über diesen Schnittpunkt nach der anderen
Seite herübergeht. Das Endziel ist Gleichgewicht,
Leben scheint uns aber um so mehr in einem
Werke zu sein, je weiter wir vom Gleichgewicht
entfernt sind: in diesem Zustand ist die Spannung
am größten und damit der vitale Antrieb
natürlich am stärksten. Und so kommt es, daß
wir die Kunstepoche am stärksten finden, wo
dieser innere Gegensatz seine Kräfte am ausgesprochensten
spielen läßt.
In Wahrheit ist das, was wir als Umsturz
in der Kunst empfinden, nur eine Richtungsänderung
in der Pendelbewegung, die unablässig
zwischen dem Geistig-Abstrakten und dem
Sinnlich-Organischen sich hin- und herbewegt.
Für die Beurteilung der Architektur ist dabei
von Bedeutung, daß bei ihr der Pendelausschlag
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