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walde zerfallen in zwei Gruppen; die eine, es
sind die Sitzmöbel und Tische der Repräsentationsräume
— bewegen sich in den Formen des
Louis-seize-Stils, namentlich die weißlackierten
Stühle, Sessel und Sofas mit kannelierten
Beinen, mit Perlfriesen und Rosettenquadern
an den Zargen. Die andere Gruppe, darunter
auch die Spiegel im Speisezimmer in schlichter
Mahagonifournierung, gehören ihrer einfachen
strenglinigen Formengebung nach der bürgerlichen
Richtung an, die von England ausgeht.
In dieser Gattung liegen die Anfänge des deutschen
bürgerlichen Möbelstils, der dann — ununterbrochen
durch das Empire — in der Zeit
nach den Freiheitskriegen zur schönsten Entfaltung
gelangt. Ein historisch denkwürdiges
feines Möbelstückchen ist das mit farbigem
Strohmosaik ausgelegte ovale Nähtischchen der
Königin Luise. Die Königin Luise, die Schwiegertochter
der Königin-Witwe, weilte des öfteren
in Freienwalde zum Besuch und zur Kur; ein
an der Straße nach dem Bade gelegenes hübsches
Wohnhaus, das wohl gleichzeitig mit den
Badegebäuden in den neunziger Jahren von
Triest erbaut wurde, wird als das Logierhaus
der Königin Luise bezeichnet. Von hier aus
schweifen die Gedanken nach dem in dem
gleichen Jahre erbauten Paretz hinüber, das
Friedrich Wilhelm III. und Luise sich als
Sommersitz errichteten (im vorigen Jahre von
dem Verfasser in einer Lichtdruckpublikation
beim Verlag für Kunstwissenschaft herausgegeben
) : da ist es ungemein fesselnd zu beobachten
, daß, während die alte Königin-Mutter
sich in ihrem Sommersitz von der zierlichen
höfischen Grazie des dix-huitieme siecle nicht
ganz trennen kann, das junge Königspaar schon
vollständig dem Geist der neuen bürgerlichen
Zeit gemäß seine Umgebung sich gestaltet.
Von Einzelheiten in Freienwalde seien noch
die reizenden und immer wechselnden Glasampeln
und Kronleuchter erwähnt — die schönste
Sammlung dieser Art besitzt das von Friedrich
Wilhelm II. erbaute Marmorpalais — sowie
endlich das einfach und schön gezeichnete weißlackierte
Geländer der Treppe.
Eine Reihe von Kupferstichen, die kurz nach
der Erbauung herauskamen, zeigen den Park
noch mit mancherlei kleinen Lustgebäuden verziert
. Erhalten ist davon nur der sogenannte
Pavillon links vom Schloß, den sich die Königin
im Jahre 1790, seit welchem Jahre sie
bereits allsommerlich in Freienwalde weilt, erbaute
und der im Inneren noch einige Kamine
im Langhansschen Stil aufweist. Über das Leben
der königlichen Schloßherrin ist nichts Bemerkenswertes
zu erzählen. „Die königliche Frau",
sagt Fontane, „ausharrend in ihrer Liebe für
die Stadt, der sie seit Jahren ihre besondere
Gunst geschenkt hatte, fuhr mit regem Eifer
fort, sich die Verschönerung Freienwaldes angelegen
sein zu lassen und besonders die Landschaft
durch Zugänglichmachung ihrer schönsten
Punkte zu erschließen. Überall enstanden Partien
und Promenaden, Eremitagen und Tempel.
Abhänge wurden bepflanzt, dichte Waldpartien
gelichtet und gerodet. Sie kaufte den Poetenberg
, bepflanzte ihn mit Kastanien, mit Pappeln
und Akazien und errichtete ein Haus in japanischem
Geschmack, das den Namen ,Otahaiti'
erhielt." Sie starb im Jahre 1805. Alle die
genannten Schöpfungen sind jetzt verschwunden
; die Laubanpflanzungen auf den Bergrücken
und -Hängen sind mit den alten Kieferwäldern
zu Eins verwachsen. Nur der Pavillon
steht noch und das Schloß, die Erinnerung an die
kunstsinnige Frau wach zu halten, wie Fontane
sagt: „Ein Bau für eine Königin-Witwe, die sich
selber leben will, nicht für eine Königin, die andern
leben muß." Hermann Schmitz
MARGA JESS
GOLDENE SCHLIESZE
MIT TÜRKISEN □
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