Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 22
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0038
Naturgefühl zur Gedankenkunst. Er sammelt
alle Natureindrücke in eine begriffliche Einheit,
die der Anschauung als Symbol vorstellbar ist.
Die Unmittelbarkeit der einzelnen Stücke geht
unter und wird von einer geistigen Spannung
zu einer beherrschenden Idee emporgehoben.
Nur aus dem ungeheuren Abstraktionsvermögen
des deutschen Idealismus jener Zeit kann
eine solche Einstellung verständlich werden.
Alle lyrischen Stimmungen sind erstarrt: mehr
Schiller als Goethe. ■— Die Elegie der idealen
Landschaft der Poussins und Claudes ist verklungen
, der arkadische Unterton als zu müde
verworfen. Sich verlieren im Genuß eines goldenen
Zeitalters ist zu feminin für die männliche
Struktur der Schinkelschen Phantasie.
Dem unbestimmten Gefühl des Pantheismus des
17. Jahrhunderts tritt die bestimmte Forderung
nach einer aktiven, alles ergreifenden Idee gegenüber
. Kultur stellt sich somit über Natur;
es ist auch eine Romantik, aber die des Histori-
zismus des ig. Jahrhunderts. So tritt an Stelle
der passiven Ruine einer Zeit die aktive Rekonstruktion
von Gebäuden. Hier führt eine streckelang
der Baumeister die Zügel. Wie Ausstrahlungen
des in der Bildung der Dinge sich immer
betätigenden Wesens der Kultur einer Zeit formt
sich die Landschaft als Denkmal. Ihr Lebensgefühl
will Erbauung, ist Vorbild, nicht Nachbild.

In den Federzeichnungen der Jahre 1800 bis
1803, die das Schinkelmuseum in Berlin bewahrt
, wird noch mehr arrangiert, im Sinne
Hackaerts, als komponiert im Sinne Claudes.
Die erste italienische Reise weitet dann den
Blick, und hinzutritt ein lebhafter Sinn für die
Beziehung des Einzelnen zum Ganzen. Man
lese die Briefe und Aufzeichnungen dieser Reise,
wie alles auf einen gemeinsamen Sinn bezogen
wird, wie alles physiognomischen Charakter gewinnt
. Was die baumeisterliche Phantasie durch
die Beschwerung der kubischen Distanzierung
und Ordnung noch nicht hätte bewältigen können
, fördert die planimetrisch szenische Abkürzung
auf der Bildfläche. So erscheint der unfreiwillige
Verzicht, den seine Bautätigkeit nach
1805 — nach der Rückkehr aus Paris — sich
durch die Verarmung Preußens auferlegen muß,
wie eine Stufe in seiner Entwicklung.

In diese Zeit fallen seine wertvollsten Landschaftsmalereien
, von denen einen großen Teil
die Nationalgalerie in Berlin jetzt im Corneliussaal
zusammengestellt hat und die hier in Abbildungen
erscheinen.

Anfangs wurde die Romantik seines Histori-
zismus auf ziemlich derbe Weise popularisiert.
Für die Gropiusschen Weihnachtsausstellungen
malte er perspektivisch optische Bilder, zu denen
er selbst den erklärenden Text schrieb.

Ihre Titel muten uns heute wie die drei Sterne
im Baedeker an, die lehrhafte Bildung popularisiert
im Übereifer. Daß die sieben Weltwunder
für das kleine Gropiustheater besonders
an ihren architektonischen Teilen für die
geistreichsten Rekonstruktionen der Wunderbauten
des Altertums gelten konnten, wollen
wir Franz Kugler, der sie sah und beschreibt,
glauben. Daß Schinkel sich selbst dabei popularisierte
, als er Zeitstimmungen geschickt aufgriff
und 1813 den Brand von Moskau auf der
Leinwand inszenierte, so daß schon um 6 Uhr
des Abends alle Straßen in der Nähe der Ausstellung
mit Equipagen gefüllt waren, konnte
seinem Charakter nichts schaden.

Daneben gingen in der Arbeit die kleineren
Ölbilder her, für die als Besteller teils General
Gneisenau und der Konsul Wagner besonders
bekannt geworden sind.

Er selbst urteilte, daß die reine Landschaft
Sehnsucht und Unbefriedigung in der Seele zurückläßt
. Darauf käme es an, den Charakter eines
Landes durch Figur und Landschaft in gegenseitiger
Verschmelzung recht „concis" zu geben.
Hierfür ist der gotische Dom (Abb. siehe Mattbeilage
) aus dem Jahre 1813 ein treffliches Beispiel.
Das Bauwerk auf der Bastei denkt die Situation
der Landschaft — wie ähnlich der Limburger
Dom an der Lahn —■ zu Ende. Naturkräfte
strählen in die Luft aus, ergriffen und geformt
durch die bildende Idee der Natur im geistigen
Wollen des Menschen, dessen höchster Zustand
die künstlerische Ausformung ist. In einem
Bilde aus dem Jahre 1815 erscheint das genußvolle
Leben italienischer Fürsten des 16. Jahrhunderts
als die höchste Ausstrahlung der Kulturidee
der Zeit (Abb. S.27) und über der kuppelbekrönten
Stadt trifft sich unter zwei riesigen Weiden
der Fürst mit Edelleuten und Trabanten auf
einer umformten Anhöhe: Kulturphysiognomik
in Landschaftsdarstellungen. Daß die hohen
geistigen Spannungen seiner Ideen sich langsam
als Kristallisation reichster und intensivster
Natureindrücke ergeben, zeigen besonders die
Landschaften, in denen architektonische Zeichen
zurücktreten, wie in dem frischen Morgen mit
den Kindern, dem Abend über den Wassern
und Wäldern, die nur der Potsdamer Havelgegend
entnommen sein können, und der Landschaft
mit dem spitzen Bergkegel und Wasserfall
. Hier ist mehr Natur als Kulturromantik,
mehr Caspar David Friedrich Nähe.

Der Aufbau dieser Landschaften steht aber
auch noch unter symbolischen Formen. Jener
Bergkegel mit den dünnen Tannen, die seinen
Umriß begleiten, wird zum Altar, der unsere
Sehnsüchte aufwärts trägt. In der Komposition
tritt diese symbolische Akzentuierung für die

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