http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0043
Freiheit der Raumgliederung öfter hemmend
auf. Fast alle diese Kompositionen sind reine
Zentralanordnungen; das Symbol im Mittelpunkt
, das den Raum sperrt. Hinzu tritt die
starke zentrifugale Lichtführung, die in kontrastreichem
! Spiel sich bewegt und das Kompositionsgerüst
eigentlich mehr bestimmt als die Führung
der Linien. Oft gewinnt sie eine Eigentiefe in
der Farbe, daß eine Chromatik entsteht, die nur
mit C. D. Friedrich verglichen werden kann.
Weniger von der historischen Kulturkraft
geleitet, bewegt sich sein Naturgefühl in den
großen sechs Landschaften, die er 1815 für den
Kaufmann Humbert in der Brüderstraße zu Berlin
ausführte. Mögen ihre Motive sich aus geographischen
Ansichten auch ableiten lassen, mögen
Corner See, nordische Natur und die Alpen die
Formen stellen, das Licht oder besser die Beleuchtung
differenziert das Leben der Natur
in den Symbolen vom Morgen bis zur Nacht.
Tageszeiten erscheinen hier nicht wie bloße
Zustände, sondern wie Wesenheiten, in denen
sich die bildende Idee der Natur offenbart.
Ihr Raumgefühl bleibt in der Ausbreitung der
Dinge oft auf der Fläche befangen — man
denke hier an die plastische Klarheit der Landschaftsgrundrisse
Anton Kochs — in dem Bild
mit dem „Mond und der Ruine", der Nacht
ist er ganz zum Naturromantiker geworden.
Es ist auch hier stille Havelgegend mit der
großen Weitung der Flächen. Hundert Jahre
später konnte Leistikow diesem Stück Natur
nichts Gehaltvolleres abgewinnen. Im Jahre 1825
malte er sein bekanntes Bild „Die Blüte Griechenlands
" (im Haag). Die Romantik seines Histo-
rizismus hat ihre Glut verloren. Er illustriert,
und die Figur tritt in den Vordergrund. Die
Einheit der Idee bildet sich nicht mehr wie
im gotischen Dom. Das Symbol ist ein ganzes
System geworden und die glühenden Gefühlsspannungen
der zehner Jahre sind ausgekühlt.
Die Generation nach ihm hat die historische
Landschaft novellistisch verkleinert. Die reinen
Wasser seines Idealismus waren durch geographische
Richtigkeit getrübt worden.
Er selbst konnte in den zwanziger Jahren
die Großheit seines künstlerischen Willens von
der erdachten Landschaft auf die wahrhaft
lebenden Bauwerke übertragen. Wie seine Landschaften
wurden auch sie Symbole, aber Symbole
seiner eigenen Zeit, mit denen sein Name immer
leben wird. W. Kurth
CARL FRIEDRICH SCHINKEL
UNTER DER TRAUERWEIDE
27
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0043