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FRITZ KLIMSCH
NIOBIDE
GEDANKEN BEI DER FRITZ KLIMSCH-AUSSTELLUNG
IN DER FREIEN SECESSION ZU BERLIN
Die Frühjahrsausstellungen der Freien Seces-
sion, die ja bekanntlich die alte Secession
ist und auch im alten Hause noch ihr Heim
hat, haben regelmäßig als clou die Gesamtausstellung
des einen oder andern Meisters,
dem man nach guter bürgerlicher Sitte wegen
eines merkwürdigen Abschnitts in seinem
Leben besonders zu ehren wünscht. Bei der
diesmaligen Ausstellung zu Ehren von Fritz
Klimsch ist es zum Glück nicht die gewöhnlichste
post mortem-Ehrung, sondern es ist eine
Jubiläumsausstellung bei Gelegenheit seines
50jährigen Geburtstages, der in dieses Jahr
fiel. Und doch — fast schaut sie aus wie eine
retrospektive Ausstellung aus alten, lang verschollenen
Zeiten, wenn man sie hier am Platze
sieht! Durch ein kleines Zimmer, in das die
„Altmeister" Liebermann und Slevogt mit wenigen
Getreuen zusammengepfercht sind, gelangt
man zum Ehrengast, in den stattlichen Klimsch-
Saal, um mit ihm von der alten Garde Abschied
zu nehmen: in allen übrigen 9 oder 10 Sälen
herrschte ganz ausschließlich die „Ausdruckskunst
", wie ihre Künstler und Vorkämpfer sie
nennen. Ausdruckskunst finde ich in Klimschs
Arbeiten, namentlich in seinen Porträts, denen
von jener Seite das jetzt so beliebte Epitheton
„Kitsch" beigelegt wird, eine Bezeichnung, die
sich der Künstler gefallen lassen kann, da ja auch
Werke wie die von Raffael damit beehrt werden.
Die Aufstellung der nahezu 30 Werke von
Klimsch hatte trotz der Mannigfaltigkeit des
Materials und auch der Motive in seiner Wirkung
etwas Eintöniges, mußte es haben, weil
weitaus die Mehrzahl der Arbeiten Büsten, meist
sogar Köpfe waren, da große schwere Bildwerke
sich jetzt zu schwer transportieren lassen.
Skulpturen brauchen dekorative Stücke wie
Wandteppiche und stattliche Möbel, um günstig
zur Geltung zu kommen. Das durfte man in dem
Secessionspalast, dessen Ungemütlichkeit und
Verkommenheit innen und außen ihresgleichen
sucht, freilich nicht erwarten, obgleich gerade
dieser Saal leidlich instand gesetzt war. Da
das Auge nicht durch dekorative Pracht abgezogen
wurde, konnte man aber um so ungestörter
die Bildwerke betrachten, die gerade
in diesem Saale besonders günstiges Licht hatten.
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