Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 63
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OTTO WIRSCHING

EKKEHARD: GESELLSCHAFT IM BURGGÄRTLEIN

grunddeutscher Innigkeit und Gemütstiefe, daß
man es geradezu als Gattungsbeispiel anführen
könnte. Das Landschaftliche spricht hier ein
entscheidendes Wort. In den Stoffkreis des
„Festes" gehört endlich auch die farbig außerordentlich
ansprechende Episode aus der Boccaccio
-Novelle „Ambrogiuolo und Ginevra". Von
den wichtigeren Arbeiten blieben dann nur
noch zwei Bilder übrig, die nicht sehr lange vor
dem Tode Wirschings entstanden sind und in
denen, wenn man will, ebenfalls die Ahnung des
Kommenden zu spüren ist: eine „Medea" (nach
Euripides), die nach der Tat ihren Verfolgern von
einem geflügelten Meerroß entzogen wird, und
Wirschings letztes Bild, die „Lethe": der müde
Lebenswanderer will aus dem Brunnen der Vergessenheit
trinken; da birst die Mauer, an der
er sitzt, und die Erinnerung steht hold und
lockend vor ihm. In allen diesen Bildern ist,
was ganz besonders betont zu werden verdient,
das Gegenständliche, so bedeutsam und wesentlich
es auch ist, durch das Kolorit doch
soweit „gebändigt", daß es nicht mehr alleiniger
Zweck ist; mit andern Worten: Form und Inhalt
durchdringen sich so vollkommen, daß
jene große, beruhigte und beruhigende Einheit
entsteht, die stets das Merkmal bedeutender
Kunst ist.

Es wird vielleicht viele geben, die trotz dieser

ziemlich großen Zahl von Bildern der Meinung
sind, daß Wirsching doch eigentlich zunächst
Graphiker gewesen sei. Und sie werden das
nicht nur aus der hohen Qualität seiner wirklichen
Graphik, sondern gerade auch aus gewissen
graphischen Eigenschaften seiner Bilder
und aus ihrem erzählenden Charakter beweisen
wollen. Wir lassen diese oben schon gestreifte
Streitfrage, die ja für die Beurteilung der absoluten
Werte der Kunst Wirschings nicht
sehr wichtig ist, am besten ungelöst und stellen
lieber fest, daß Wirsching vor allem als Holzschneider
zu den besten Schwarzweiß-Graphikern
gehört hat, die wir in den letzten Jahrzehnten
hatten. Sein Vorbild war der alte Holzschnitt
etwa des 15. Jahrhunderts. Doch ist er
niemals gedankenloser Kopist gewesen. Es war
nur der strenge Geist und Stil jener Zeit, in
dem er Verwandtes spürte und auf dem er deshalb
seinen eigenen, ebenso strengen und doch
beweglichen und ungemein ausdrucksvollen Stil
aufbaute. Wirsching hat in dieser Manier eine
Reihe trefflicher Exlibris und witziger Familienanzeigen
(Geburts- und Vermählungsanzeigen)
geschaffen. (Für Sammler und Ausstellungszwecke
hat er diese Blätter gelegentlich auch
geschmackvoll koloriert.) Außerdem gibt es
verschiedene Blätter phantastischen Inhalts von
ihm. Sein Meisterstück auf diesem Gebiete aber

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