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GEORG BROELS WALDSINFONIE
Draußen in Flandern, im Kriegslärm und
unter seelischen Qualen, ist Georg Broel
der Gedanke seiner Waldsinfonie aufgestiegen.
In schwerstem Erleben, umringt von Gefahren
und Widerwärtigkeiten, überfiel den Künstler
die holde Erinnerung an vertrautes Heimatland
am Rhein. Er dachte an sein Siebengebirge,
und der Gang, den er in der Erinnerung durch
dessen Wälder tat, wurde ihm zu einem geschlossenen
künstlerischen Erlebnis und half ihm
hinweg über die grause Umwelt des Krieges.
Das war 1916 — seitdem feilte und arbeitete
Georg Broel an seiner Sinfonie vom deutschen
Wald. Endlich, nach vier Jahren, im Sommer 1920,
hatte er die Aufgabe bezwungen, ein in schönster
Harmonie in sich ruhendes Werk gestaltet.
Dreizehn Radierungen entstanden. Es ist nicht
eine Aneinanderreihung von wesensverwandten
Blättern, auf denen das Thema vom deutschen
Wald variiert ist, sondern ein streng zyklisches,
in straffer Architektur sinnvoll auf gebautes Werk,
bei dem jedes einzelne Blatt das folgende wie
das vorausgehende mit absoluter Notwendigkeit
bedingt. Von einer Sinfonie kann unter diesen
Umständen mit gutem Recht gesprochen werden
: die Gliederung, der Rhythmus, das Musikalische
und Melodische, das den Zyklus kennzeichnet
, läßt den Titel zu Recht bestehen.
Ein höchst graziöses Titelblatt gibt gewissermaßen
das Leitmotiv. In überhöhtem Rechteck,
das durchwegs beibehalten wird und der Vertikalerscheinung
des Waldes entspricht, sitzt ein im
Umriß reizvoll aufgelockertes Oval, gebildet aus
Baumlaub und Farnen, Waldblumen und Efeu;
Eichhörnchen und Vögel tummeln sich dazwischen
, und, ein Oval im Oval, indes tiefer,
dunkler, geheimnisvoller, ruht ein Symbol: der
Waldquell, der aus unergründlichem Born hervorgestoßen
, ins Moos quillt. Titel und Widmung
des Zyklus fügen sich ornamental in die
wunderschöne Marke.
Der Gang durch den Wald hebt an. Ahnungsvolle
Takte. Aus dem Hellen geht es ins Dunkle.
Die sammetige Tiefe, die den Waldweg verschluckt
, hat etwas Saugendes, Lockendes. Wie
Pfeiler eines Domes zieht die Schar der Stämme
hinan: Krone verflicht sich in Krone — wie
Spitzbogen im gotischen Münster muten sie in
ihrer Verschlingung an. Licht und Schatten teilen
sich aus. Man betritt eine heiter-helle Lichtung,
in der das Bächlein rauscht und in kleinen Fällen
von Stufe zu Stufe springt, indessen der geschmeidige
Efeu an den gefleckten Birkenstämmen
hinaufklettert und die Starrheit der vertikalen
Parallelen auflöst. Das ist wie ein Scherzo.
Die Romanze der abweisenden, nur sparsam
vom Licht aufgehellten, senkrecht aufschießenden
Stämme mit dem Durchblick auf die von
Felshöhe herabstarrenden Ruine leitet zum Ernste
über, denn drohender, dunkler, finsterer wird es
nun: man betritt die Regionen des Urwalds.
Felsblöcke, wuchtige, pyramidenartige Gebilde,
das Motiv des Dreiecks in allen möglichen Variationen
ausformend, bauen sich zusammen. Aber
noch ist die tiefste Einsamkeit nicht erreicht,
noch glänzt ein fernes Fleckchen Himmel in die
Wildnis herein, und zwei schlanke Birkenbäum-
chen schmiegen sich zitternd an das Gestein.
Vorbei! Es geht in eine Schlucht, finster und
tief, und schaudernd sieht man sich plötzlich
dem Chaos, der Zerstörung gegenüber: die
Natur als Feindin des Menschen, die Unergründliche
, Unheimliche, von Rätseln Umschauerte
starrt den Wanderer an. Aber das
Dunkel lichtet sich wieder, ein erster Sonnenstrahl
fällt in das Schweigen des Hochwaldes,
hoffnunggebende Ruhe folgt dem Grauen, junge
zarte Bäumchen wiegen sich in melodischem
Rhythmus, übergoldete Blätter rieseln und blitzen,
brandenden Wellen gleicht das schöne Spiel der
dichtbelaubten Zweige, die der Wind wiegt. Parkartiger
wird nun die Waldnatur. Tief herab,
nach den Menschen verlangend und zu den
Lebendigen sich sehnend, greifen die schimmernden
Zweige, lauter rauscht der Bach — und da
liegt in heller Sonne, von Bäumen umringt, eine
freundliche Wiese im Walde. Wenige Schritte
noch, und das Ziel ist gewonnen: aus dem Gehölz
tritt man ins Freie. Mühelos erreichbar baut
sich das Ziel vor dem Wandrer auf: eine Bergkuppe
, aus lichten Büschen frank emporstrebend.
Am Ziel sieht man zurück und erkennt,
daß man im Sinnbild einen Gang durch das
Auf und Ab des Lebens tat. Von sorgloser
Jugend in die Geheimnisse der Welt hinein, über
erhebende Begeisterung zu männlichem Streben,
das sich seines Zieles bewußt ist, durch finstere
Beklemmung und über den Zusammenbruch
hinweg zur Einkehr, zur besinnlichen Ruhe, zu
Erkenntnis und Abklärung, die milde Freude
und lichte Harmonie verheißt.
Broel selbst hat nicht daran gedacht, Symbolisches
in seine Sinfonie hineinzugeheimnissen;
das Gleichnishafte stellte sich von selbst ein,
und so wird es in seiner Unabsichtlichkeit erst
recht zu sonntäglicher Erhebung. G. J. Wolf
Die Kunst für Alle. XXXVI.
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