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X
PAUL
NEUENBORN
I
9.4
GEIER-STUDIE
(ZEICHNUNG)
die Flamingos mit ihren unendlichen, eckig gebrochenen
Hälsen, die watschelnden Pelikane
und die gravitätischen Marabus, diese Philosophen
unter dem Sumpfvogelgeiichter — das
wurde seine Welt, die er in ihren farbigen und
formalen Reizen wie kein anderer zu ergründen
und mit Stift und Pinsel darzustellen wußte.
Anfangs spielte seine Neigung zur harmlosen
Satire, der er mit besonderem Erfolge in zahllosen
Gelegenheitszeichnungen, namentlich in
Hunderten von köstlichen Postkarten an seine
Freunde voll nachging, auch noch in seine
ernsthaft künstlerischen Arbeiten hinein. Anthro-
pomorphe Beziehungen in seinen Tierdarstellungen
wurden stark hervorgehoben und unterstrichen
; symbolische Unterklänge machten sich
bemerkbar. Allmählich schwanden solche Nebenabsichten
, und im unmittelbaren Arbeiten vor
der Natur, vor dem schnell bewegten Modell,
erhob sich seine Kunst zu einer Meisterschaft,
zu einer Sicherheit und Schönheit, die auch den
Vergleich mit den Besten nicht zu scheuen
braucht. Da ist nichts von billig konventioneller
Auffassung; jeder Zug ist stark empfunden,
lebendig gefühlt und mit den einfachsten Mitteln
zum charaktervollen Ausdruck gebracht.
Zu Hunderten häuften sich die Blätter in seinen
Mappen; vielfach griff er zur Lithographie mit
ihren weichen Tönen; verhältnismäßig selten
zur Temperatechnik und zur Ölfarbe. Und
doch sind auch unter den großen Ölbildern der
letzten Zeit einige Werke von so erlesener
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