Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 144
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ERNST BARLACH

RASENDER BARBAR

Generation werden wird. Sie gibt ihm seine
Sonderstellung innerhalb der bunten Wunderlichkeit
des heutigen Kunstbetriebs und sichert
seinen „Expressionismus" ohne jede bewußte
historische Anknüpfung durch die innere Beziehung
zu dem Wirken der Vorfahren.

Aus der Liebe zu diesem lebendigsten Material
wächst auch ein Teil der formalen Besonderheit
Barlachs. Sie kommt nicht aus literarischer
Anlehnung an Stilreize der Vergangenheit
, so nahe zuweilen wie gesagt Altdeutsches,
Ägyptisches, ja sogar Renaissancereize zu liegen
scheinen: sie ergibt sich halb von selbst auf
dem Wege der Realisierung der Vision im
Material. Das Holz bestimmt von sich aus
einen Teil der gedrungenen Gebundenheit, des
Erdgewachsenen, was Gruppen wie die reckenden
Vagabunden, Gestalten wie die Frierende
haben. Aus seiner Konsistenz oder besser, aus
Barlachs besonderem Gefühl für seine Konsistenz
wächst die Flächenbindung seiner Reliefs,
die so stark ist, daß sie selbst ein so großes
Objekt wie die Kaminumrahmung (auf der
Berliner Akademieausstellung) zusammenhält.
Ein unbewußtes, halb mystisches Band umfaßt
hier Materie und formende Seele: so daß die
Wirkung auf den Beschauer, obwohl mit Worten

schwer zu analysieren, ebenfalls etwas von dieser
schweren erdgebundenen Mystik mitbekommt,
sich nicht in der Freude an ornamentalen Reizen
des Kompositionellen oder sonstwie rational
Faßbaren erschöpft.

Neben den Plastiken Barlachs steht die Arbeit
des Graphikers. Sie wächst aus den gleichen
Elementen, aus Visionen voll dumpfen, lastenden
Gefühls (etwas von Alpdruck geht zumeist
von ihnen aus), aus Körpergestaltung, in denen
eine Lebensangst Entlastung sucht, aus Vorstellungen
des Plastikers, die statt in den Raum
in die Bildebene gebunden werden. Die Gestalten
wirken zuweilen wie gezeichnete Plastiken
Barlachs, zuweilen wie drückende Traumvisionen
— es ist kein Zufall, daß er immer erneut
Schwebende zu bilden versucht, wenigstens im
Abbild einmal die Last des erdgebundenen
Lebens zu überwinden trachtet. Zuweilen denkt
man von ferne an Zeichnungen Kubins, nur
daß Barlach im Gefühl geschlossener, stärker,
weniger spitz und scharf wirkt. Sehr schön
einige Holzschnitte: als ob das vertraute Material
nicht nur der Hand, sondern auch dem
Gefühl größere Sicherheit gibt. Noch einmal
tut sich hier eine Beziehung zur Welt der alten
deutschen Meister auf: der Mensch von heute,

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