Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 152
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EUGEN KIRCHNER

BAUMABHANG

weichen Bleistiftes und einer ebensolchen künstlerischen
Naturempfindung hervorgegangen sind,
haben das Gemeinsame, daß jedes von ihnen
seinem Schöpfer ein Erlebnis bedeutet und eine
Erinnerung zugleich. Sie sind gar nicht modern
in irgendeinem Sinne dieses oft mißbrauchten
Wortes, haben vielmehr in ihrer subtilen Durchbildung
etwas altmeisterlich Herbes, von dem
weite Kreise — sagen wir einmal zwanzig Jahre
lang — nichts wissen wollen, um, wenn die Zeit
erfüllet ist, dazu mit jener tiefen Sehnsucht im
Herzen zurückzukehren, die deutsches Erbgut
zu sein scheint und mit der man schon jetzt
beginnt, sich eines Caspar David Friedrich, eines
Schnorr von Carolsfeld, eines Fohr, Olivier,
Heinrich oder Horny zu erinnern.

Kirchners Landschaften haben mit allen
echten Kunstwerken auch das gemein, daß sie
lediglich zur eigenen Freude entstanden, die erlösende
Form für die Stimmung einer guten
Stunde finden. Daß sie alle billigen Effekte
meiden und allen Mätzchen aus dem Wege
gehen, daß sie mit einem Wort aufrichtig und
ehrlich sind. Denn das Höchste und zugleich
das Schwierigste in aller Kunst — nicht nur in
der bildenden, sondern auch in jeder anderen —
ist die Einfachheit. Nur sie überzeugt und

spricht zum Herzen der Menschen, die ein Kunstwerk
miterlebend im Geiste nachzuempfinden
verstehen.

Die hier veröffentlichten Zeichnungen sind
mit wenigen Ausnahmen in den letzten Jahren
entstanden und bewegen sich sämtlich in des
Künstlers Lieblingsgebiet, in seiner Wahlheimat
Oberbayern. Ob er uns wie in dem schönen
Blatt „An der Traun" einen mit jungen Bäumchen
bestandenen, sanften Hang schildert, der
sich maifrisch und duftig aus blumenübersäten
Wiesen erhebt, oder die dunkeln, wolkenüberzogenen
bayerischen Vorberge bei Feldwies,
hinter denen sich ferne Felsschroffen türmen
und vor denen aus windbewegten schwarzen
Wäldern ein einsames Kirchlein leuchtet, ob
er die groteske Silhouette zweier auf der Alm
von Chieming ruhender Kühe gegen den leuchtenden
Sommerhimmel zeichnet, ob er den
klaren Spiegel der schnellfließenden Sempt bei
Altenerding zwischen flachen, schilfbestandenen
Ufern bis zu den fernen, von verstreuten Bäumen
überschnittenen Hügeln verfolgt, immer ist es
die inbrünstige Naturanbetung, die Verliebtheit
ins Motiv, die ihm den Stift führt, das Alltägliche
zu adeln und zum Ungewöhnlichen zu
erheben versteht. Ich wüßte in der Tat keinen

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