Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 198
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MAX LIEBERMANN

KELLERG ARTEN IN ROSENHEIM (1895)

der Scheitel bereit scheint, zu bersten. Die
Kategorie, die Schule besagt noch gar nichts
— auch wenn ein maximalistisches Programm
von Spannung das ihre ist.) Wo aber zur allgemeinen
Spannung eines formalen Temperaments
noch die besondere einer Begierde nach
dem Bild der Sekunden kommt, da wird die
Spannung einer Kunst freilich zwiefaches Beispiel
und Maß des Prompten, Aktuellen, Gegenwärtigen
. Spannung des allgemeinen Formsinns
schießt mit einer vibranten Welt des Thematischen
zusammen — Spannung alles Künstlerischen
und einer Individualität, in der das
Künstlerische eine ihrer Inkarnationen fand,
mit der speziellen Gespanntheit im Leben eines
besonderen Zeitalters. Eines Zeitalters, dessen
Rhythmus der Nerv im Tempo ist und dessen
Inhalte noch sichtbar auch im Gesichtsfeld der
Vierzigjährigen liegen: Natur, schon arme, proletarische
Natur; das Soziale; das Auge, das
von seinen eigenen Fähigkeiten zur Wahrnehmung
auch der imponderabilen Sichtbarkeiten

besessen ist, Maniaque des Wirklichen, aber
auch Maniaque des Imponderabilen, des optisch
kaum noch Faßbaren und in Wahrheit schon
Poetischen.

Doppelte Spannung wurde nun von Liebermann
exemplarisch festgemacht. Daß dies auf
spezifische Weise, nach den Gesetzen einer Generation
geschehen mußte, ist natürlich; klar
aber auch, daß die besondere, die temporäre
und persönliche Art doch eine Erscheinung
auch des Allgemeinen ist, das immer gilt. Von
seiner eigenen Leistung wie von einem Krampf
ergriffen, blieb Liebermann eines Tages stehn.
Er selbst ist es wohl gewesen, der gesagt hat,
in einem gewissen Alter müsse man vermögen,
mit Anstand stehn zu bleiben. Hier ist die
Grenze, die das individuelle Schicksal berührt.
Was tut es? Hat er den Impressionismus, den
seinen, als einen eklatanten Typus formaler
Spannung schließlich stabil gemacht, so ist
damit auch ein Beweis der Ausschließlichkeit
seiner künstlerischen Rasse gegeben. Daß er,

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