Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 204
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0242
Der natürliche Boden dieser Anschauung war
vorgezeichnet. Er hieß Berlin, wohl auch Paris,
allenfalls Holland — und wieder Berlin. Sicher
hieß er nicht München und am wenigsten Italien.
Italien würde zu einer Ganzheit verpflichtet haben
, die nicht mehr zu leisten war; zu etwas so
Komplettem, wie ein spätes Jahrhundert es nicht
mehr besaß, weil die späte Zeit zu vielgliedrig
geworden war und in ihren Extremitäten lebte
(zu denen auch dieAugen gehörten). München war
zu sehr, zu traditionell und auch zu manieriert
der Kunst (der hohen hehren) bewußt, zu feierlich
auch und zu eitel, zuleichtmütig dem einmal
eingeführten Kultus des Schönen zugetan, als
daß es ein junges Naturell fesseln konnte, das
nur im Unmittelbarsten existieren mochte und
alles andere, alles nicht schlechthin Gegenwärtige
und Organische als eine Schwächung der Spannungen
empfand. Berlin: das war nun freilich ein
Wesen ohne Herz, und das sehr fehlende Senti-
ment mußte mit allen Kräften des Witzes, der
Nerven, der Dialektik, der Augen ersetzt werden.
Berlin—das hieß auch polemisch werden, aggressiv
malen, fechtend radieren. Aus dem Bereich

des Gemüts war man ausgeschlossen. Darauf kam
es nun an, im Zeichen des heiligen Glassbrenner
den Kopf und die Ironie des Auges zu üben —
Blick, Blick, nochmals Blick, innere und äußere
Beobachtung. Der metaphysische NordenMunchs
war von Berlin aus das andere Jenseits. Die
Linie lag in der ernüchterten, aber sportiv erhitzten
Mitte. Auf ihr lagen die Möglichkeiten
der Sublimation, welche Liebermann heißt.

Malerei und Graphik sind bei Liebermann nicht
getrennte Sphären. Die eine ist eine Version der
andern, und eher ist der malerische Naturalismus
Führer, als etwa ein graphischer Antrieb, der
ins Dichterische aufstiege. Liebermann ist anders
als Slevogt, den er aus München herzog, weil
die Kunststadt mit ihrer ewigen ästhetischen
Prätension aller wahrhaftigen Lebendigkeit gefährlich
wurde. Slevogt tat damals gut, von München
wegzugehen. Der Dichter ist nur um so
gewisser in ihm aufgebrochen. Aus zäherem Gewebe
ist Liebermann gemacht. Aber dies wäre
töricht, über dem naturalistischen Element das
Geistige seiner graphischen Spannung zu vergessen
. Das Charmante und das Unheimliche der

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