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FRITZ RHEIN
SCHRIFTSTELLER E. FRISCH
Zorn machte einen starken Eindruck; von
den französischen Malern gefiel ihm am besten
Besnard. Die wirklich führenden französischen
Meister waren zu jener Zeit in München noch
kaum bekannt. Ein Auftrag wollte, daß Rhein
1897 nach Berlin zurückkehrte. Hier tobte
ein heftiger Kampf um den Impressionismus;
die Secession, zu der sich entschlossene Männer
zusammenfinden sollten, wurde gerade gegründet
. Rhein vermißte bei ihr ein einheitliches
Programm, da er aber fühlte, daß vorwärts
drängenden Talenten in ihr eine Stätte
zu freier künstlerischer Aussprache geschaffen
wurde, so trat er der neugegründeten Vereinigung
bei. Der erste Anblick impressionistischer
Bilder, französischer Werke, dann aber auch der
Arbeiten Liebermanns, riefen in der Seele des
jungen Malers eine Umwälzung hervor. Wie
eine Offenbarung kam die Erkenntnis über ihn,
daß alle Farbe nur Ausdruck eines Augenblicks
und auch die Form nur einen Träger zeitlicher
und lokaler Bedingtheiten bedeutet. Die Kühnheit
, mit der ein Monet die Lokalfarbe der Dinge
ihrer vorübergehenden Erscheinung opferte,
seine Pinselführung, die dem gemalten
Stoff an materiellen Reiz nur
so viel übrig ließ, als es die Zufälligkeit
der Umgebung und der Augenblicksbeleuchtung
gestatteten, schienen
ihm zunächst unerhört. In dem
gleichen Maße aber, in dem er sich
in das Wesen dieser neuen Anschauung
vertiefte, wuchs in ihm die Erkenntnis
und der Wille, es auf seine
eigene Weise einem Meister wie Monet
gleichzutun. Die Berührung mit
den Impressionisten machte sich
bald geltend. Sie äußerte sich in
Landschaften und Städtebildern von
strahlender Helligkeit. Das gebrochene
Tageslicht im Sinne der Franzosen
zu bewältigen, ohne sie nachzuahmen
, wurde sein Hauptziel; daneben
verfolgte er als eine wichtige
Aufgabe, grellen Sonnenschein aufleuchten
zu lassen. Fröhliches Jubeln
, ein Schrei der Freude nach
der Gefangenschaft, die ihm die
schwer lastende Tradition der deutschen
Atelierkunst auferlegt hatte,
klingen in Bildern aus, die 1906, während
einer Reise nach den Niederlanden
, entstanden sind. Die neu gewonnene
Vorliebe für den Impressionismus
nahm nichts von der Verehrung
für Rembrandt und Frans
Hals hinweg. Im Gegenteil: sie
wurde gesteigert, als Rhein Gelegenheit
fand, die beiden Meister an den Stätten
ihres Schaffens zu belauschen. Hier lagen ja
die Wurzeln jener Kunst, die im Impressionismus
ihre reifsten Früchte hervorgebracht
hatte. In feuchter, weicher, farbiger Luft
lösen sich die Umrisse der Bauten, der Bäume,
Menschen und Tiere auf, und jene Luft umgibt
sie mit geheimnisvollen Zaubern. Dazu
kam der Anblick der alten ehrwürdigen Städte,
deren Kirchen, stolze Rats- und Gildenhäuser die
Seele mit Träumen einer fernen glorreichen Vergangenheit
umgaukelt. Einer Ebene, die sich
in die Unendlichkeit verliert und sich dem Meer
und seinen Buchten durch tausend Kanäle vermählt
. Türme, die Jahrhunderten getrotzt,
tragen einen feierlichen Rhythmus in die weite,
ungeteilte Fläche der Landschaft und bieten
dem Auge Halt, wenn es sich am Himmel in
Nebeln und Wolken zu verlieren droht. Grachten
mit keck geschwungenen kleinen Brücken,
Reihen vom Winde schräg gewehter Pappeln,
fruchtbare Marschlandschaften mit fettem, weidendem
Vieh, leuchtende Dünen mit silbrigem
Gras und roten Dächern niedriger Fischer-
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