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C. EBBINGHAUS
losen Individualismus. Neuartiges ist darin nicht
zu finden. In dieser Empfindung sind uns Ep ochen
nahe gerückt, die von der früheren Zeit durch tiefe
Klüfte getrennt. Nicht daß ästhetische Schranken
allein dazwischen standen, sondern Weltanschauungen
. Deshalb ist uns heute die Gotik verständlich
, soweit sich ihr Mystizismus überhaupt in
Formeln gießen läßt. Daher entspricht auch, so
grundverschieden beide voneinander sind, die
Anschauung Asiens unserem Geiste. Die Orientierung
in den Künsten nach diesen Gesichtspunkten
ist eine mittelbare unbewußte Folge.
Die rationalistisch erworbenen Kenntnisse be-
BÜSTE LUDWIG FRANK (BRONZE)
friedigen nicht mehr, Neigung zur Metaphysik
die Folge. Das Individuum scheint uns nicht
mehr so wichtig, wir bejahen die Art, als Spiegel
in der Kunst wieder das Herausholen des Typischen
statt dem Singulären; das Wesen statt
der Erscheinung. Wir verlangen Ernst, Tiefe,
Inbrunst, Erschütterung. Auch das ist nichts
Neues, es gab Zeiten, in der das Streben anderen
Zielen wie der Schönheit nachging. Daß
sich jetzt viele noch nicht daran gewöhnen
können, liegt wohl im Ideal der Antike, Bildungsstücke
, in der Schulbank aufgepfropft.
Daher die Wut, die einzelne Schaffende da-
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