Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 236
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0278
daß die Lechtaler einst groß und mächtig waren,
im Verkehr der Welt und im Handel mit ihren
Gütern reich geworden sind." Die Lechtaler
sind nämlich einst als Schnittwarenhändler weit
in die Welt gezogen, haben in den Niederlanden
und selbst jenseits des Ozeans große Häuser
gegründet, auf ihre späteren Tage aber
sind sie heimgekehrt und haben sich in den
Dörfern Elbingenalp, Lend, Holzgau und wie
sie sonst heißen, schöne Häuser gebaut und
einen Hauch des Abenteuers und der lockenden
Weite in das stille Tal getragen. Das ist
das eine der Vaterländer Kochs. In Obergiebeln,
das zur Pfarrei Elbingenalp gehört, ist er am
27. Juli 1768 geboren. Sein Vater, der einen Zitronenhandel
betrieb und deshalb häufig in Südtirol
weilte, aber auch, um Handelsbeziehungen
anzuknüpfen, den Rhein hinunterreiste, hatte
sich hier 1760 ansässig gemacht; er stammte
aus der Nähe, aus dem tirolischen Dorf Ler-
moos im Außerfern. Die Mutter dagegen war
eine Rheinländerin, Anna Elisabeth Burdi aus
Coblenz, die der Vater von einer seiner Rhein-
Handelsfahrten als Frau mitgebracht hatte. Die
Blutmischung erwies sich als fruchtbar. Die Ehe
war sehr kinderreich: Joseph Anton Koch hatte
noch zehn Geschwister. Da ging es begreiflicherweise
etwas knapp her im Kochschen
Haushalt. Joseph Anton mußte früh daran
denken, sich auf eigene Füße zu stellen: er
wurde, was so viele berühmte Künstler seit
Cimabues und Giottos Tagen vor ihm waren:
ein Hirte. Im „schauervollen" Krabachtal hütete
er die Schafe. In der kontemplativen Einsamkeit
gab er sich früher Kunstübung hin. Er
zeichnete und schnitt mit seinem Messer Figuren
in die Baumrinden. Der Waldbruder
Lukas Liskodin belehrte ihn und nannte ihn
ein Wunderkind. Als der Weihbischof von Augsburg
Freiherr von Ungelter nach Elbingenalp
kam, um die Firmung zu spenden, machte diesen
Bruder Liskotin auf den jungen Koch aufmerksam
, und der Bischof erbot sich, für ihn zu
sorgen. Aber man dachte nicht daran, aus Koch
einen Künstler zu machen, er sollte Geistlicher
werden. Der Weihbischof, zu dem Koch nach
Augsburg gebracht wurde, schickte ihn an das
Dillinger Seminar, an dem damals der herzensgeniale
Johann Michael Sailer wirkte. Auch
der Prokanzler der Dillinger Universität, Joseph
Anton Schneller, ein Tiroler wie Koch, nahm
sich des jungen Landsmannes an, und er war
es, der den Bischof dafür gewann, Koch seinem
Wunsch und seiner unverkennbaren Begabung
entsprechend Künstler werden zu lassen.

So wurde also der junge Kunstentflammte
als Fünfzehnjähriger zu dem geschätzten Augsburger
Bildhauer Ingerl, bei dem damals auch

der ältere (Franz) Schwanthaler arbeitete, gebracht
; wurde aber von seinem Meister nur als
Lehrling betrachtet und mit den niedrigsten Arbeiten
betraut. Koch war betrübt darüber, denn
sein Sinnen ging weiter. Aber der Bischof erwies
sich aufs Neue als Förderer, er bewirkte
die Aufnahme Kochs in Karl Eugen von Württembergs
Hohe Karlsschule, an der sich eine
Abteilung für Maler, Bildhauer und Kupferstecher
befand. 1785 trat Koch dort ein, fünf
Jahre, nachdem Friedrich Schiller die durch
ihn berühmt gewordene Schule verlassen hatte.
Zwei heute ganz vergessene Maler, der Vedutist
Harper und der Guibal-Schüler Hetsch, waren
seine Lehrer. Indessen kam er kaum während
dreier Monate im Jahre dazu, sich auszubilden,
die übrige Zeit wurde er, gleich den anderen
Zöglingen der Akademie, zu Dekorationsarbeiten
in den herzoglichen Schlössern und im Theater
herangezogen. Das war zwar sehr gegen seine
Neigung, aber Koch hatte trotzdem von dem
sechsjährigen Aufenthalt an der Karlsschule
Gewinn, insofern er seine Allgemeinbildung erweitern
, in die Welt des klassischen Altertums,
die später auf seinen Bildern eine wichtige Rolle
spielt, hineinblicken und mit gleichaltrigen Jünglingen
aus guten Häusern, die die allzu rauhen
Sitten des Naturburschen glätten halfen, in
freundschaftlichen Verkehr treten konnte. Revolutionäre
Gedanken spukten auch damals an
der Stätte, wo sieben Jahre zuvor Schiller im
Geheimen seine „Räuber" gedichtet hatte;
Rousseau wurde verehrt, von Freiheit und
Gleichheit geschwärmt. Auch Pasquille wurden
geschrieben, und Koch illustrierte sie mit saftigen
Karikaturen. Das trug ihm eine strenge
Strafe ein, mehrwöchigen Arrest, dem er sich
durch die Flucht entzog. Er wandte sich nach
Straßburg, wo ihn auf der Rheinbrücke seine
Freunde erwarteten. Johann Nepomuk Ringseis
erzählt, Koch habe sich auf der Rheinbrücke
seinen Zopf, den er als Karlsschüler vorschriftsmäßig
zu tragen hatte und der dem Tirolerbuben
stets als Symbol der Unfreiheit erschien,
abgeschnitten und ihn seinen Herren Zuchtmeistern
mit spöttischem Kompliment eingesandt
. Auf alle Fälle ist ein Brief vom 5. Dezember
1791 erhalten, den Koch an seine einstigen
Vorgesetzten schrieb, und in dem er die
Gründe, die ihn zur Flucht bewogen, auseinandersetzt
. Er sagt, die Schule habe ihm die
Ausbildung seines Talentes unmöglich gemacht.
„Chordecken, Arabesken und Theatergeschmier
gehören nicht in das Gebiet der schönen Künste."
Scharf wendet er sich gegen den Intendanten
der Akademie, den Obersten Seeger. Er gibt
ihm zu denken, daß „nur ununterbrochene Tätigkeit
die Seele über das Gemeine erhebt".

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