Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 257
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DIE LETZTEN WERKE ADOLF VON HILDEBRANDS
I. DIE VOLLENDUNG DES HUBERTUSBRUNNENS IN MÜNCHEN

Der Hubertusbrunnen am Nationalmuseum
ist nun mit der Aufstellung der vier für
ihn bestimmten Nischenfiguren, Hildebrands
letzte Schöpfungen, vollendet. Die Besonderheit
dieser Schöpfung läßt ebensosehr an den
Architekten wie an den Plastiker denken.

In der Architektur des Brunnens gelang ihm
eine von jeder architektonischen Konvention
freie Raumschöpfung. Sein architektonisches Gestalten
ging dabei unmittelbar aus einem plastischen
Raumgedanken hervor — aus einer Raumvorstellung
, wie sie nur der Plastiker empfindet
. Man muß Hildebrands Architekturmodelle
, die allesamt modelliert sind, daraufhin
ansehen, wie sich bei ihm architektonisches
Gestalten — dreidimensionales Denken — entwickelte
. Auch seine Brunnenplastiken versteht
man nur, wenn man sie zugleich als Architektur
würdigt. Die Architektur schafft ihnen
erst den Raum, die Atmosphäre, in der sie
leben und wirken.

Wie sehr es Hildebrand verstanden hat, seine
Brunnen aus der örtlichen Situation herauswachsen
zu lassen, so daß sie wie unmittelbar
daraus hervorgegangen erscheinen, zeigt am
deutlichsten der Wittelsbacherbrunnen.

Der Wittelsbacherbrunnen ist eine offene
Brunnenanlage. Sein Akzent liegt auf der
„Schauseite". Der terrassenartige Aufbau ermöglicht
stärkste Entfaltung des Wasserspiels.
Und auf Symbolik des Wassers geht auch aller
bildnerische Schmuck aus. Man denkt beim
Anblick des Brunnens, der aus dem Felsen
schäumenden Wasser, des steinschleudernden
Reiters unwillkürlich an die grüne Isar, die
durch die Stadt rauscht, an das Gebirge, von
dem sie herabströmt und wie mit diesen Wassern
und diesem Fluß soviel Leben und Gesundheit
in die Stadt kommt.

Der Verkörperung einer anderen bayerischen
Naturkraft, dem Wald und der Jagd, ist der
Hubertusbrunnen gewidmet. Ursprünglich ganz
ins Grüne gedacht, hat er auch im städtischen
Straßenbild nichts von der Ursprünglichkeit
und Stärke seiner Symbolik eingebüßt.

Im Gegensatz zu der offenen, nach Außen
sich entfaltenden Brunnenanlage des Wittelsbacherbrunnens
bildet der Hubertusbrunnen
eine geschlossene — ein Brunnenhaus. Seine
Bedeutung liegt vornehmlich in der Raumwirkung
im Innern. In diesem Innenraum waltet
eine besondere Heimlichkeit und Stimmung, so
recht der Ort für das Augenwunder, das sich
darin begibt. Und während der Innenraum das
köstliche Jäger-Mysterium, den Hubertushirsch
umschließt, weisen die in den vier
Nischen aufgestellten Statuen außen auf die
Natur, den Wald, das Wild und das Jägerleben
hin. Gerade das unmittelbar Naturhafte,
wie es auch in den deutschen Märchen lebt
und webt und durch alle Jagdgeschichten und
Lieder geht, gewann hier über das zunächst
realistisch Empfundene hinaus, Form und Gestalt
. Zunächst spiegelt es sich in gegensätzlichen
Motiven: Jugend und Alter, Aktivität
und kontemplativer Beschaulichkeit. So ergänzen
immer zwei Figuren einander. In diagonaler
Richtung stehen zu einander der alte und der
junge Jäger und wiederum so „Diana" und
„Die Alte". Der alte Jäger, besonders im Kopf,
ist ganz individuell gebildet, so urbayerisch
nach Rasse und Ausdruck, als wäre er einem
in den Bergen schon da und dort begegnet.

Im Gegensatz zum Alten steht der junge
rüstige Jäger. Das Auge schaut gespannt gerade
aus, die Hand greift in den Köcher nach
einem Pfeil. Auch ihn beseelt Natur- und
Jagdlust. Und wie der junge Jäger im alten
seine Entsprechung und Entgegensetzung findet,
so auch das Naturwesen in jungfräulicher Gestalt
sein Gegenüber in dem welken Alter. In
der Jägerin Diana waltet das aktiv tätige, in der
Waldfrau das passive kontemplative Leben.
Das Gesicht, wie die alten, schwieligen Hände
erzählen von Mühsal und Arbeit. Aber es
leuchtet daraus auch die Weisheit des Alters,
jene eigentümliche Schönheit, die aus Runzeln
und Altersfurchen erblüht. So begegnet sich
hier Alter und Jugend, Werden und Vergehen
in der Natur. Im Innern des Tempelchens
aber waltet das Geheimnis, die Stille — als
ginge leise der liebe Gott durch den Wald.

Von allen Brunnenschöpfungen Hildebrands
ist dies gewiß die am meisten poetische und
volkstümliche. Volkstümlich vor allem sind diese
Figuren, die obwohl ganz individuell gebildet
doch so generell wirken, daß sie zu allen sprechen
, und darum erscheint uns gerade diese
letzte Schöpfung Hildebrands ebenso volkstümlich
als universal. A. Heilmeyer

Die Kunst für Alle. XXXVI. Juli 1921

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