http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0323
Sinnenapparat, die auch die mitschöpferische
Seele mitreißt und erquickt.
Ebenso wie Bühler unbekümmert um die
kunsttechnischen Zeitforderungen seinen Malwerken
einen geistigen Inhalt gab, ebenso sieht
er in seiner Graphik von einem Gesamtton ab,
in dem die Blätter gehalten werden könnten
. Er wechselt, echt musikalisch, im Tempo
und im Vortrag, bald mit stürmisch hingewühlten
Platten, bald mit epischer Ruhe und Gelassenheit
. Bald ist er tonig und gedämpft,
bald leuchtend und strahlend im Ausdruck. Hell
und Dunkel wechseln. Mit höchster Macht des
Ausdrucks arbeitet er dort, wo das Walten und
Weben der unendlichen Natur versöhnend um
das Geschehen der Menschendinge sich schlingen
, wo der Künstler das Endliche und Bedingte
des Zeitgeschehens in die Unausmeßbar-
keit der ewig schönen, tröstlich versöhnenden
Natur ein- und untertauchen kann. Soll man
diese Ausdrucksfähigkeit eines innersten Fühlens
und Erlebens „Expressionismus", soll man
sie „Mystizismus" oder sonstwie nennen ? Vor
solchen Offenbarungen reiner und hoher Menschlichkeit
versagen Wortprägungen, weil sie unausmeßbaren
Inhalt nicht zu fassen vermögen,
wie alle große Kunst in einen dürren Begriff
und Namen nicht eingefangen werden kann.
Wir können sie nur mitfühlend erleben. Darauf
hinzuweisen ist der Sinn dieser Zeilen.
Dr. Jos. Aug. Beringer, Mannheim
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