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Sekte arbeitet der Künstler heraus, sondern
die Werte und das Wesen der großen weiten
Welt, wenn auch mit den Formmitteln seiner
besonderen Kunst. Und so wird es gut sein,
auch einmal Engels' Werk in diesen Zusammenhang
hineinzubauen, statt von rein technischen
, handwerklichen Dingen dabei zu reden
. Immerhin muß man es als ein Selbstverständliches
voransetzen, daß keiner, der nur ein
wenig in die Formgeheimnisse der Kunst —
ganz allgemein gesprochen — eingeweiht ist,
auf den Gedanken kommen könnte, in dem
Werk eines Zeichners Werte irrationaler, überzeitlicher
und überpersönlicher Art zu finden,
wenn eben das Handwerkliche nicht fachlich
vollkommen wäre. Es ist also ein weltweiter
Unterschied, ob man in gewissen expressionistischen
und anderen der -istischen Werke Metaphysik
sucht, oder bei einem, der das Technische
von Linie und Form mit meisterlicher
Sicherheit beherrscht. In jene ungekonnten
Strich- und Farbenansammlungen muß man einfach
aus dem Grunde mehr oder minder erhabene
und unverständliche Tiefsinnigkeiten
hineinlegen, weil sie ohne dieses mysteriöse
Mäntelchen allzu nackt wären und ihre Dürftigkeit
allzu peinlich offenbar würde. Bei dem
wirklichen Können klingt diese Allgemeingültigkeit
, diese überstoffliche Bedeutsamkeit, kurz
die Musik des Werkes, eben aus dem Gekonnten
der Linie und der Form, dem formalen,
irrationalen Element.
Gewiß, Engels will kein Philosoph sein und
keine Spitzfindigkeiten in seine Werke geheim-
nist wissen. Und gerade das ist das „unauslöschliche
Merkmal" des wirklichen Künstlers. Engels
will zeichnen, gut zeichnen, mehr nicht. Es ist
genau wie in anderen Künsten. Haydn sprach
einmal über Mozart, von dem er schwur, er sei
der größte Musiker, weil er Geschmack besitze
und die größten Kenntnisse in der Komposition.
Und so mag man von Engels sagen, er sei ein
großer Zeichner, weil er Geschmack hat und
die bedeutendsten Kenntnisse des Zeichenhandwerks
. Aber damit ist nur das Wesen des Künstlers
erklärt, nicht aber das Wirken. Geschmack
und Kenntnis des Handwerks bringt eben in
den Strich, durch die völlige Überwindung des
Kleinen, Einmaligen, Einmalgültigen einen Glanz
des Unvergänglichen. Man braucht nur die Zeichnungen
von Engels durchzublättern: in diesen
fast metaphysischen und doch so klaren, groß
und rein fließenden, wogenden und doch sicher
gefaßten Konturen liegt etwas wie eine Fluores-
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