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H. HEINLEIN
STEG IM GEBIRGE
BILDER AUS MÜNCHENS LUDOVICIANISCHEM ZEITALTER
Retrospektive Ausstellungen tun gerade in
dieser Zeit der Kunstwirrnisse, der Übergänge
und Dämmerungen gut. Klar, in ihren
Absichten und Zielen fest umrissen, steht eine
abgeschlossene Epoche da. Das Typische, das
Zeitcharakteristische tritt zunächst viel stärker
hervor als das Individuelle. Die Einzelpersönlichkeit
baut sich erst allmählich aus dem
Ganzen empor. Das Bild belebt sich, nimmt
Farbe an, gerät in Bewegung. Gemach kommt
einem zum Bewußtsein, daß auch damals
Gegensätze bestanden haben müssen. Die Kräfte
scheinen nicht alle auf einen bestimmten Punkt
hin konzentriert. Sie wirken auch gegeneinander.
Das flache Relief gewinnt an Tiefe; Licht und
Schatten teilen sich aus. Der tröstliche Gedanke
stellt sich ein: auch damals ging nicht
alles glatt vonstatten; nur aus Reibung, aus
Gegensätzen kam und kommt fürderhin Endgültiges
auch in der Kunst.
Auf die ergiebige, aufschlußreiche retrospektive
Ausstellung „Münchner Malerei unter
König Ludwig L", die die verdienstvolle Galerie
Heinemann in München in der Reihe ihrer rückschauenden
Ausstellungen im Sommer 1921 veranstaltete
, treffen diese Reflexionen zu. Man ist
gerne geneigt, die ganze Epoche der Ludwigs-
Kunst als etwas ganz in sich Rundes, Fertiges,
Gleichmarschierendes sich vorzustellen. Man
denkt, spricht man von ludovicianischer Malerei,
sofort an Cornelius und den nazarenischen Stil
der Heß und Schraudolph, fühlt, wie in Wilhelm
Kaulbachs Werk diese aus dem Bezirk
des Realistischen ins Metaphysische flüchtende
Kunst wenigstens formal weiterschwingt, man
baut lächelnd Schwinds Kunst in diesem Umkreis
an, und glaubt in dem Porträtisten Stieler
einen Maler kleineren Formats, der seinem
königlichen Brotherrn nicht gewachsen ist, erblicken
zu dürfen, vergißt auch Rottmann nicht,
ihn freilich nur als den pathetischen Maler
der Hofgartenarkaden-Fresken und der griechischen
Landschaften in der Neuen Pinakothek
begreifend.
Die Kunst für Alle. XXXVI. September 1921
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