Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 326
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0380
Freilich, dies alles bildet einen stattlichen
Ausschnitt des Münchner Kunstschaffens der
ludovicianischen Zeit; und nur ein Mißgünstiger
kann die Bedeutung und den Wert dieser
künstlerischen Leistungen verkennen. Aber das
künstlerische Schaffen der Zeit ist mit diesen
Namen und mit diesen Werken eben nicht
erschöpft, mannigfach kreuzen sich die Richtungen
und Absichten, und wenn auch ein
durch die Patina der Zeit bewirkter geschlossener
Gesamteindruck zustandekommt, so quillt und
ruckt es doch in den Tiefen. Eine starke realistische
Welle ging durch das Zeitalter, und neben
den Künstlern, die romantisch schwärmerisch von
einem „neudeutschen Stil" predigten und nach
den Sternen griffen, standen fest und breitspurig
die andern auf der Erde. Man vergißt
so leicht, daß die Zeit Wilhelm Kaulbachs
auch die Bürkels und Spitzwegs war, übersieht
es, weil Spitzweg einem so unendlich viel näher
steht als Kaulbach. Spitzweg trägt eben die
dauernde Modernität, die ihn vor jedem „Veralten
" schützt, in sich, während Kaulbach —
bei allem Respekt vor seinem schier unbegrenzten
Können darf das ausgesprochen werden —
eine zeitlich gebundene Erscheinung ist. Eines
der kleinen edelsteinhaften Bildchen Spitzwegs,
aber auch eine figurenreiche, miniaturhaft
durchgearbeitete Landschaft Bürkels steht, über
das absolut Malerische hinaus, unserem Empfinden
tausendmal näher als eine für ihre
Zeit noch so geistreich angelegte und in den
Himmel gehobene „Hunnenschlacht". Und diesem
Nebeneinander Kaulbach — Spitzweg entspricht
das andere: Cornelius — Neureuther.
Kaum ist es auszudenken, daß der erfindungsreiche
, phantastische, unerschöpfliche und witzige
Meister der Arabeske, der einer der wenigen
großen Graphiker im zweiten Drittel des neunzehnten
Jahrhunderts ist, der Gehilfe des Cornelius
bei den Freskomalereien in der Münchner
Glyptothek gewesen.

Von all dem vermittelt die Ausstellung bei
Heinemann dem, der sie besinnlich durchschreitet
, ein gutes Bild. Eine Persönlichkeit wie
Benno Adam gewinnt hier Farbe und Plastik,
man lernt einen intimen Maler von Klasse
kennen. Die heiteren Schildereien Lorenz
Quaglios, im Verein mit Bildern von Lebschee,
Pezzl, Neher, Pocci wecken die Erinnerung an
das hinabgesunkene alte München auf. Besonders
aber tritt die Landschafterschule des
ludovicianischen München hervor, obwohl sie von

dem königlichen Schirmherrn selbst nicht übermäßig
geschätzt wurde, denn er steckte —
freilich in anderem Sinne als Dürer - - innerlich
voll Figur und verfügte über kein besonders
lebhaft entwickeltes Naturgefühl. Tut
nichts — die Landschaftsmalerei blühte doch.
Rottmanns Name glänzt voran. Das „Perugia"-
Bild ist von liebevoller Innigkeit der Malerei;
steckt auch nicht das echte, realistische Italien in
ihm, so doch das der deutschen Künstlerträume.
Aber Rottmann enthüllt sich hier auch noch
von einer anderen Seite. Oberbayerische Landschaften
, die „Einsame Föhre in den Vorbergen",
ein Stück prächtig gemalten Erdlebens, lassen
ihn viel malerischer und intimer erscheinen,
als man sich seine Kunst vorzustellen gewohnt
ist. Klenze als Landschafts-Architekturmaler
berührt fast feierlich: etwas von der herben
Kühle seiner Marmorbauten, etwas Verhaltenes,
Abgeklärtes ist auch in diesen Bildern. Bürkel,
der zusammen mit Spitzweg das schönste
Kabinett der Ausstellung schafft, ist als Landschafter
bewegter, wärmer, herzlicher. Mit
reicher Staffage belebt er seine lecker gemalten
Tafeln, unterteilt, löst auf, geht in Details, aber
gibt den Zug ins Große nicht aus der Hand.
August Seidel steht auf seinen Schultern, ein
liebenswürdiger, im besten Sinn münchnerischer
Maler, dessen Stunde nun endlich zu kommen
scheint. Heinlein als Entdecker der Schönheit
bewegter Wolkenspiele, Zwengauer, der an den
Osterseen seine melancholischen Abendstimmungen
malte mit dem eigentümlich farbigen
Himmel, mit brennenden Farben am Horizont
oder bergseegrün, Ernst Kaiser, ein feiner
Beobachter, der auf kleinstem Bildformat ungewöhnlich
viel sagen konnte, Teichlein, der
den Zusammenhang mit Barbizon herstellte,
vor allem aber als überragende Erscheinung
Eduard Schleich, das landschaftliche Genie,
der elementare Abschilderer der bayerischen
Hochebene — das sind die Landschafter der
Zeit, die zugleich die ausgesprochensten Realisten
sind: natürlich standen sie alle irgendwie
in Widerspruch zu der „offiziellen" Kunst
am Hofe Ludwigs, aber sie sind diejenigen,
die die Münchner Malerei weiterführten. In
manchem von ihnen darf man einen Vorläufer
der impressionistischen Malerei erblicken. Von
ihren Werken strahlt die meiste Anregung aus,
sie machen einen besinnlich und bewirken es,
daß man Zusammenhänge über Jahrzehnte
hinweg fühlt, erkennt, feststellt. Wolf

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