Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 43. Band.1921
Seite: 350
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_43_1921/0406
lung eindringlich und fesselnd zum Kunstfreund
spricht, ist Edwin Scharff. Diesmal läßt er seine
Graphik und seine meist problematischen Gemälde
weg und konzentriert sich auf die Plastik,
die er in ihrem Wesen auffaßt als Gefühl in
der Raumtiefe. Er reagiert aufs feinsinnigste
auf die Geistigkeit seines Motivs, seines Modells
oder Vorwurfs, und weiß sie unverloren in
seine plastischen Gestaltungen zu gießen. Seine
eigene Individualität spricht lebensvoll mit,
indessen besitzt Scharff die schätzbare Disziplin,
bei seinen diesmal überwiegenden Bildnisbüsten
sich von Stilisierungen, wie sie seinem eigenen
Gefühl entsprechen, fernzuhalten. Nur in der
eigenartigen, oval-schmalen, kantigen Schlitzung
der Augenhöhlen bleibt in leiser Maniriertheit
seine Handschrift stark schaubar. Ein Charakterkopf
wie der des Dichters Heinrich Mann —
nicht ohne eine leichte Wendung ins Pretiöse, —
der gescheite, nervöse Kopf der Schauspielerin
Helene Ritscher oder Maria Caspar-Filser in
temperamentvoller Mütterlichkeit: das sind
blitzartige Beleuchtungen von Persönlichkeiten,
wie Offenbarungen berührend — und dann
vom Künstler mit Meisterschaft aus der Stimmung
des Erkennens im entscheidenden Augenblick
in die dauernde Form gegossen. Interessant
sind die malerisch bewegten, mystisch anmutenden
Eisenguß-Reliefe („Reiter", „Liebespaar
") mit der feinen Ausnützung des Materials,
der grobkörnigen, rauhen Oberfläche, die Scharff
zu aparten Wirkungen zu steigern versteht.

Ein neuer Mann ist der Bildhauer J. W. Fehrle
aus Schwäbisch-Gmünd, dessen mittelgroße
Steinplastiken, besonders die im Bewegungsmotiv
merkwürdige „Maria", von verblüffender Eigenart
sind: ganz durchpulst von Persönlichkeit,
dem Zeitempfinden nahe, zugleich jedoch irgendwie
mit der spätgotischen Plastik Schwabens
und Frankens in der Stimmung sich berührend.
Die Bildhauer Koelle und Claus vervollständigen
das Ensemble der Plastiker der Gruppe.

Die Bilder hat man wieder ausgezeichnet
gehängt. Das Prinzip des Zusammenhängens
derjenigen Arbeiten, die aus der nämlichen
Hand sind, erweist sich als das allein richtige.
Man braucht in dieser Ausstellung nicht erst
zusammenzusuchen, was von einem Künstler
ausgestellt ist, wie es im Glaspalast notwendig
ist, wo nach dekorativen Gesichtspunkten gehängt
wird; man gewinnt von der Leistung des
einzelnen ein geschlosseneres, klareres Bild,
überdies leidet die Einzelarbeit nicht unter
einer ihr vielleicht nicht immer nützlichen
Nachbarschaft. Übrigens ist auch in dieser Hinsicht
die Ausstellung sehr geschmackvoll und
feinsinnig angeordnet. Aus der Weise, wie die
Kollektionen der einzelnen Künstler nebeneinandergehängt
wurden, ist der Rückschluß
auf so etwas wie Gruppenbildung innerhalb
der Gruppe erlaubt. Recht geschickterweise
hat man in Räumen, die etwas abseitiger sind, die
provokantesten Arbeiten zusammengehängt —
ich würde es freilich begrüßt haben, wenn
diese „Schreckenskabinette" ganz ausgeschaltet
geblieben wären. Eine Sammelausstellung in
einem gesonderten Raum umschließt Arbeiten
des Frankfurters Max Beckmann, in dem
übereifrige Propagandisten „den kommenden
Mann" sehen, und den Mannheim schon als
galeriereif erkennt. Sein naiver Infantilismus
vermag mich nicht zu rühren, seine „Unbefangenheit
", seine Voraussetzungslosigkeit gegenüber
der Wirklichkeit muten fast komisch an.
Ich fühle das nicht alltägliche Können Beckmanns
, besonders als Zeichner, worin er dem
auf der Ausstellung gleichfalls vertretenen
George Groß nicht nachsteht, aber ich kann
nicht gegen meine Überzeugung, daß er sich
auf Irrwegen befindet (wie in anderer Hinsicht
der sicherlich stark überschätzte, einsame Spintisierer
Paul Klee und der kulturlos bunte
Davringhausen). Unold und Seewald, Stützen
der Neuen Secession, wissen sich von derartigen
gewagt extremen Experimenten fernzuhalten,
aber es ist etwas im Wesen ihrer Kunst, das
sie nicht recht aufblühen läßt, ihr das Lebensvolle
, Unbesorgte, Freudige raubt. Ein gewisser
ermüdender Doktrinarismus der Auffassung und
Ausformung herrscht vor. Diese Maler wollen
um jeden Preis Programmbilder ihrer Richtung
malen und deshalb überwiegen besonders bei
ihren Stilleben, die gegenständlich so uninteressant
wie möglich sind, die theoretischen
Züge über die frische, gesunde Sinnlichkeit,
ohne die ich mir die Malerei nicht denken
kann. Auf die Spitze getrieben (und ins Lächerliche
abbiegend) ist diese Manier bei Parzinger,
dessen „Stilleben mit der blauen Trompete"
man am liebsten als eine Satire nehmen
möchte.

Indessen besteht ja die Möglichkeit, bei anderen
Künstlern der Neuen Secession sich anzusiedeln
, wo es positivere Werte zu finden gibt.
Karl Caspar gehört hierher, dessen kraftvolles
Gestalten reichen inneren Gesichten entspringt.
Seine Ausformungen biblischer Motive sind
eigenartig und überzeugend nach Komposition
und Farbgebung. Bilder aus der Legende wie
sein „Hubertus" eröffnen Perspektiven in ein
neues Stoffgebiet. Das oft gemalte Bildnis des
Töchterleins des Künstlers, diesmal am Arm
der Mutter, ist erfüllt von inniger Vaterliebe,
die über das Malerische hinausschwingt. Maria
Caspar-Filser umschlingt mit ihrer reifen Kunst
alle Erscheinungen. In feurigen Blumensträußen

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