Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 44. Band.1921
Seite: 1
(PDF, 56 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_44_1921/0015
DAS RESIDENZMUSEUM IN MÜNCHEN
REICHE ZIMMER. KURFÜRSTENZIMMER

Der großzügige Gedanke, die bisherige Residenz
der bayerischen Könige dem bayerischen
Volke, der Allgemeinheit überhaupt zu
öffnen, sie als Stätte der Belehrung und Bildung
allen zugänglich zu machen, hat durch die Gründung
des Residenzmuseums allgemein befriedigende
Gestalt gewonnen. Damit ist München um
eine Sehenswürdigkeit reicher geworden, die einzigartig
dasteht in Deutschland, ja in Europa.
Allen anderen Herrschersitzen hat die Münchener
Residenz zweierlei voraus: die Mannigfaltigkeit
an hochbedeutenden Innenräumen, aus den verschiedenen
Bauperioden von der Renaissance bis
zum Klassizismus und den Reichtum an wertvollen
Leistungen des Kunstgewerbes vom 17. bis
zum frühen ig. Jahrhundert. Diese originalen
Ausstattungsstücke ihrem ursprünglichen Standort
zuzuführen, sie auf Grund wissenschaftlicher
Forschungen wieder da aufzustellen, wofür sie
ihre Entstehungszeit bestimmt hatte, die Räume
von den Zutaten des ig. und 20. Jahrhunderts zu
befreien, ihnen soweit wie möglich den originalen
Charakter zurückzugeben, das war die Aufgabe
der neuen Museumsleitung. Sie hat unter
Friedrich Hermann Hofmanns umsichtiger Initiative
für einen Teil des riesigen Baukomplexes
in raschester Zeit eine Lösung gefunden. Alle
weiteren Pläne erfordern umfassende Baumaßnahmen
, die erst im Laufe der nächsten Jahre
zur Ausführung kommen können.

Für die bisher zugänglichen Räume wollen
wir dem Leser in einer Reihe von Artikeln
einen Führer geben, der kurz die wichtigsten
geschichtlichen Nachrichten bringt; der vor
allem das Verständnis für die künstlerischen
Werte anbahnen will, die das Residenzmuseum
vor allen anderen Museen auszeichnen, für die
Innenarchitekturen aus den verschiedenen Bauperioden
.

DIE REICHEN ZIMMER

Die Reichen Zimmer sind mit der Amalienburg
im Nymphenburger Park der Höhepunkt
des frühen Rokoko, ein Höhepunkt deutscher
Kunst überhaupt. Der Satz mag zunächst etwas
seltsam erscheinen, da man im allgemeinen immer
noch dazu neigt, das deutsche Rokoko als Ableger
französischer Kunst zu betrachten, die Architekten
dieser Räume, Effner und Cuvillies, nur
als Schüler französischer Meister einzuschätzen.
Es ist richtig, daß seit den Zeiten des Kurfürsten
Max Emanuel die französische Kunst

in München Boden gefaßt hatte. Die verwandtschaftliche
Verbindung des Kurfürsten mit dem
französischen Königshaus, sein Aufenthalt im
Ausland während der Zeit seiner Verbannung,
die durch beide Umstände bedingte Geschmacksrichtung
des Kurfürsten, alles das öffnete der
französischen Kunst die Tore, leitete sogar den
direkten Import französischer Kunst in die Wege.
Ebenso ist es richtig, daß die beiden Architekten
der Reichen Zimmer in Paris gelernt haben.
Joseph Effner, ein geborener Dachauer, war um
1710 dort und ist Schüler Boffrands geworden.
Frangois Cuvillies, der Wallone aus Soignies
im Hennegau, der seit seiner Jugend im Dienste
Max Emanuels stand, wurde zum Studium der
Architektur 1720 nach Paris in die Lehre Fran-
gois Blondels geschickt. Die hohe Schule der
Pariser Akademie hat beiden gleichsam das
Vokabularium und das metrische Schema für
den neuen, eigenen Inhalt gegeben, sie hat nicht
die künstlerische Selbständigkeit unterdrückt.
Wenn auch die architektonische Gliederung
dieser Räume, in die die Dekoration eingespannt
ist, dem französischen Vorbild nachempfunden
ist, die deutsche Eigenart drängt
sich mit Macht vor, so sehr, daß die Räume
in Frankreich unmöglich wären, daß sie in dem
Reichtum der Erfindungen, in der Überfülle
der Phantasie, in der freien Folgerichtigkeit der
leitenden Ideen von französischen Kritikern
nicht mehr verstanden wurden. Wie der Stil des
italienischen Barock in Deutschland, in den süddeutschen
Bauten der Asam und in österreichischen
Kirchen, seine letzte Erfüllung gefunden
hat, so wurde auch das französische Rokoko
in Deutschland zur letzten Ausdrucksfähigkeit
getrieben. Dafür bilden die Reichen Zimmer mit
die wirkungsvollsten Beispiele.

1725 wurden auf Befehl Max Emanuels die
Reichen Zimmer durch Effner begonnen. Kaum
waren sie vollendet, zerstörte der Residenzbrand
von 172g, dem eine Reihe berühmter Kunstwerke
zum Opfer fiel, den südlichen Teil der
Zimmer. Nur drei, Empfangssaal, Audienzsaal
und Thronsaal sind aus dieser ersten Bauperiode
erhalten geblieben. Der Ausbau der zerstörten
Räume wurde nach Max Emanuels Tod von
Kurfürst Karl Albert nicht mehr Effner anvertraut
, der damals in Nymphenburg und Schleißheim
tätig war, sondern Cuvillies, der ihn in
den Jahren von 172g —1737 zu Ende führte.
Die stärkere Begabung, die größere Modernität

Dekorative Kunst. XXIV. 1/2 Okt./Nov. 1920

I

I


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_44_1921/0015