Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 44. Band.1921
Seite: 20
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_44_1921/0036
Fabrikat. Von einem der besten Pariser Ebe-
nisten, dessen Name noch nicht enträtselt ist,
von dem aber verschiedene ausgezeichnete Stücke
bekannt geworden sind, wurden die B. V.R.B,
signierten Eckschränkchen im letzten Empfangszimmer
(s. S.18) gefertigt. Einheimische Arbeiten
sind wieder die Öfen, unter denen der schwarzglasierte
Ofen in Form eines Schrankes, der von
niedlichen Putten bekrönt wird, besondere Erwähnung
verdient. Das Gegenstück in Weiß
steht in den Trierzimmern. Über die weiteren
Einzelheiten, die Nippsachen, die schönen China-
und Meißener-Vasen, die Girandolen, die Lüster
und Wandarme, die französischen Bronzeuhren
gibt der kleine Führer Auskunft. Alle Objekte
bilden für den Betrachter eine ständige Quelle
hohen Genusses. Gerade in diesen Räumen des
18. Jahrhunderts, die bis in die Einzelheiten
der Ausstattung hinein dem besten Geschmack
Raum geben, muß die Achtung vor der hohen,
künstlerischen Kultur der Zeit erwachen.

Adolf Feulner

ROKOKO UND CHINOISERIE

(Zu den Abbildungen Seite 21-23)

Sich ihrer Schwere zu entschlagen, war die
französische Kunst des Barocks willens geworden
. In dem gleichen Maße, als sich im
raschen Wandel die Kultur des Pariser Hofes
von dem steifen Zeremoniell des vierzehnten
Ludwig zu der Beherzigung der Maxime: ,,Le
roi s'amuse" entschloß, lösten sich die mächtigen
, wulstig-massigen Formen zu beschwingter
Grazie. Wo vordem die ins Überlebensgroße
gesteigerten Gestalten brünstig gekurvter Heiliger
und kraftposierender sagenhafter Griechengötter
und Römerhelden sich brüsteten, da
schwangen sich, das Zepter mit Rosen umwunden
, geschmeidige Liebesgötter um die tändelnde
Vertrautheit kecker Schäferpaare. Wie man im
Leben spielte und alles Strenge zerbrach, so
hielt man es in der Kunst — spielende Linien,
bizarre Gestaltungen, die des Gesetzes der Vernunft
spotten und nichts von der Schwerkraft
und ihren Vorschriften wissen wollen: darin
äußert sich die Kunst des Rokoko. Keine tek-
tonische, straff und logisch aufgebaute Kunst
ist das, sondern der Stil, die Stilabart einer
reineren Bildung, schweift ins Dekorative, ist
lässig und launenhaft, kapriziös, damenhaft,
verschnörkelt. Goethes Verse gehen einem ins
Ohr:

Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen wir mit leichter Hand,
Gute, junge Frühlingsgötter,
Tändelnd auf ein buntes Band.

1771, im Frühjahr, in sehr verliebter Zeit, hat
Goethe das geschrieben: mir scheint es, als
wäre es konzipiert in Betrachtung von Claude
Gillots entzückend luftigem Groteskenwerk, das
als dünne Leiste sich um seine Idyllen baut.

Es mit einem Wort zu sagen: unbeschadet
mancher Einzelzüge, die nach anderer Richtung
schweifen, ist das Rokoko als ein kunstgewerblicher
Dekorationsstil anzusprechen. Seine Motive
holte es unbesorgt überall her zusammen,
indessen fand es nirgendwo so viel Anregung,
die seiner Stimmung gemäß gewesen wäre, als
bei den Chinesen, die in ihrer damals schon
überreifen Kultur, in der leise zur Dekadenz
neigenden Kunst-Formensprache und in dem
(trotz allem) primitiv spielerischen Ausdruck
ihres Wesens mit den Rokokomenschen mehr
als Berührung, nämlich die Gleichheit wesenhafter
Züge, besaßen. Das Rokoko ist die Zeit
des Porzellankultus. Manufakturen schössen
allerwärts in Europa, nirgends freilich so üppig
als an den Höfen und Duodezhöfchen deutscher
Potentaten, empor — und wo Porzellan gemacht
wurde, da schielte man nach chinesischen Vorbildern
: bald nicht nur in Hinblick auf die
Technik, sondern auch auf Formgebung und
Dekor. Die sogenannte „Grüne Familie" der
Ansbacher Manufaktur, eine Serie entzückend
mißverständlich nach chinesischen Vorbildern
bemalter Geschirre, fällt einem ein. Der chinesische
Pagode gehörte zu den Unerläßlichkeiten
des Salons, ob es in Paris oder in Bayreuth,
in der Maison Brethous oder in der Einsiedelei
der Markgräfin war — und der Pagode bestimmte
allmählich immer mehr das Interieur: um ihn
bauten sich die chinesischen Kabinetts, die
aus den Rokokoschlössern, ob sie nun in Frankreich
oder in Franken, im Rheinland oder in
der Mark entstanden, nicht wegzudenken sind.
Ein Mosaik von Spiegeln, Vasen, Porzellanen,
Lackmalereien — so trat das chinesische Kabinett
in die Erscheinung. Wo keine Originale
ergattert werden konnten, da behalf man sich
mit dekorativen Malereien im Stile Chinas.
Die Chinoiserien entstanden: uns späteren dann
am anmutvollsten, wenn sich in Verkennung
der Absichten des Vorbilds allerlei Mißverstandenes
einmischte. Pillement, Maler und Radierer
aus Lyon, der von etwa 1720 bis 1809
lebte, hat in seinen hier nach den Stichen von
Deny reproduzierten „Chinesischen Hütten"
so etwas wie Anregungen zu dekorativen Chinoiserien
gegeben. 1770 sind sie entstanden;
daß sie dem Empfinden unserer Zeit anmutig
eingehen, beweist, was man wohl auch sonst
empfindet, die Kulturverwandtschaft unserer
Epoche mit dem chinafrohen Rokoko. W.

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