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ZU DEN ARBEITEN VON JOSEF WILM, BERLIN-FRIEDENAU
In seinen bekannten Leitsätzen zur Werkbundtagung
im Juli 1914 schrieb van de Velde:
„Qualität wird immer nur zuerst für einen
ganz beschränkten Kreis von Auftraggebern
und Kennern geschaffen." Die hier abgebildeten
Arbeiten des den Lesern dieses Blattes nicht
mehr unbekannten Gold- und Silberschmieds
Josef Wilm (siehe Januarheft 1916) sind alle
für einen beschränkten Kreis von Auftraggebern
und Kennern geschaffen, und das ist es,
gungen gibt, beweist die Tatsache, daß er mit
besonderer Vorliebe an die Umarbeitung alter
Schmuckstücke geht, und daß er es hier zu
einer „Spezialität" gebracht hat. Der beste
Beweis für die Anpassung dieses Kunsthandwerkers
— der, weil er als Handwerker ein
Meister ist und als Künstler ein ideenbegabter
und nach neuen Wegen suchender Mensch,
als der vollkommene Typ eines Kunsthandwerkers
betrachtet werden kann — ist der
JOSEF WILM, BERLIN-FRIEDENAU
HALSSCHMUCK IN SILBER GETRIEBEN MIT GRANATSCHALEN
was ihnen nicht nur ihre besondere Note, sondern
auch ihre, weil ganz aus dem Zweck und
dem zur Verfügung stehenden Material herausgewachsene
Qualität gibt. Die Wilmschen Arbeiten
sind Zweckkunst im reinsten und besten
Sinne des Wortes. Die Wünsche des Auftraggebers
— und oft sind sie eigenartig genug —,
das zur Verfügung stehende Material werden
für diesen Kunstgewerbler nicht Hemmung,
sondern sind für ihn gewissermaßen das Sprungbrett
, seine handwerklichen Fähigkeiten in vollstem
Maße zu entfalten und seine künstlerischen
Ideen mit dem
Zweck und
dem Werkstoff
zuschönster
Harmonie
zu bringen
. Wie sehr
Wilm mit seiner
Aufgabe
verwächst, wie
selbst eine undankbar
erscheinende
Aufgabe ihm
reiche Anre-
JOSEF WILM, BERLIN-FRIEDENAU □ BROSCHETTE IN GOLD MIT
□ SMARAGDEN, BRILLANTEN UND EMAIL □
hier zur Abbildung gelangende Chanukaleuchter.
Wilm war hier zur Aufgabe gestellt, ein für
rituellen Gebrauch zu verwendendes Prunkstück
zu fertigen, das gleichzeitig profanen Zwecken
dienen sollte, so als Tafelschmuck und in seinem
unteren Teil als Obstschale. Diese Aufgabe
scheint mir in vorbildlicher Weise gelöst. Die
Schale, auf der der Leuchter ruht, ist ein Stück
für sich und wirkt, wenn man sich den Aufbau
wegdenkt, als eine völlig selbständige Arbeit
; der festliche Charakter, der das Ganze umgibt
, ist hier in äußerst feiner Weise durch den
sich in wellenförmig
gezackter
Linie
auflösenden
Rand aufgehoben
. Sehr
fesselnd ist es
auch, zu beobachten
, wie
Wilm die Anweisung
, das
oberste Licht,
das herausnehmbar
ist
und als „Die-
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