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ARCH. BRUNO PAUL - BERLIN n HAUS LEFFMANN IN KÖLN: BLICK VOM BALKON IN DEN GARTEN
HAUS LEFFMANN IN KÖLN VON ARCH. BRUNO PAUL
Ueber der architektonischen Entwicklung der
rheinischen Metropole schwebt kein günstiger
Stern. Der alte Glanz der Stadtkrone ist
verblaßt. Nicht die„force majeure" dieser trüben
und kümmerlichen Zeitläufte mit ihren natürlichen
Hemmungen fällt hier so sehr ins Gewicht
, wie der Mangel an kulturellem Verantwortlichkeitsgefühl
der Allgemeinheit in ihren
maßgebenden Trägern. Einseitige wirtschaftliche
oder technische Schulung hat hier wie
allenthalben den Blick für die einzig wertvollen
Leistungen unseres Zeitalters getrübt. Ueber
den dringenden Forderungen des Alltags vergaß
man, daß ihre Befriedigung nicht Ziel, sondern
einzig Mittel zur schöpferischen Gestaltung künstlerischer
und kultureller Werte sein kann. Der
subalternen Tätigkeit fehlte schöpferischer Impuls
, der ihr tieferen Sinn und Lebensinhalt
lieh, ein Kraftzentrum, das langsam seine Kreise
zog, Freude und Begeisterung weckte für eine
ideelle Gemeinsamkeit und ihre architektonische
Verkörperung im Gesamtbilde des städtischen
Gemeinwesens. Köln ist kein günstiger Boden
für derart weitgesteckte Ziele. Ein berühmtes
Kölner Epitheton bezeichnet jene exklusive und
konträre Art, die hier im einzelnen ihre Kreise
zieht. So gewann die architektonische Physiognomie
der Stadt jene bezeichnende Vielseitigkeit
mimischen Ausdrucks, die zur Grimasse
erstarrte. Diese Entartung konnte sich in einem
Gemeinwesen vollziehen, dessen architektonische
Leistungsfähigkeit in der einheitlichen Zusammenfassung
religiöser, kommunaler oder sozialer
Komplexe die höchsten Ziele der Menschheit
tatsächlich gelöst und bis auf unsere Tage unter
stärkster Nachwirkung dieser gewaltigen Schöpferkraft
gestanden hatte. Aber man mag wollen
oder nicht, die großen kulturellen Gesetze der
Menschheit vollziehen sich mit innerer Notwendigkeit
langsam und folgerichtig wie in der
Natur, unbeirrbar durch monströse Bildungen
und Fragwürdigkeiten. Naturgemäß wurde bei
derart reicher Bautätigkeit, wie Köln sie in den
letzten Jahren vor dem Kriege aufzuweisen hatte,.
Dekorative Kunst. XXIV. 4/5. Jan./Febr. 1921
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