http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_44_1921/0122
benützt übrigens Stabeisen nie so, wie er es von
den Werken geliefert bekommt. Er läßt immer,
auch wenn es einfach und glatt bleiben soll,
erst den Hammer darüber gehen. Dadurch büßt
das Eisen zwar etwas an Querschnitt ein (es
muß also von vorneherein stärkeres verwendet
werden), aber die „Haut", die Oberfläche trägt
dann gleich den übrigen Teilen des fertigen
Stückes die Spuren der Bearbeitung und fügt
sich dem Ganzen vorteilhafter ein. So zeigt
schließlich alles den Hammerschlag.
An den abgebildeten Arbeiten lassen sich
vielerlei Techniken der Schmiedekunst unschwer
erkennen. Das Gitter (Abb. S. 91) zeigt an
den Kreuzungen der Senkrechten und Wagrechten
Durchschiebungen, die Gittertüre (Abb.
S. 90) weist an den gleichen Punkten Über-
plattungen auf. Bei der schlichten Einfriedung
(Abb. S. 92) sind die Ringe unter sich durch
Bünde und am Gitterrahmen durch Vernietungen
festgehalten. Wo Endigungen Kugel- oder Knopfformen
tragen wie bei dieser Einfriedung, da
sind diese natürlich nicht durch Aufschrauben
erzielt, so wenig wie Verdickungen jemals durch
einfaches Aufschieben bzw. Aufpressen von Zierringen
erreicht werden. Schramm holt alles aus
dem Material selbst heraus. Jeder derartige
Schmuck wird in seiner Werkstätte durch Stauchen
des Eisens und Ausschmieden zur beabsichtigten
Form gewonnen. Das Balkongitter
(Abb. S. 94) läßt dies deutlich hervortreten. Alle
Effekte werden durch die uralten Techniken der
Schmiedekunst erzielt: durch Einhauen und
Abkanten, durch Aufbauschen in Gesenken und
dergleichen mehr. Daß reine Zierformen, wie
beispielsweise Rosetten, stets bis ins kleinste
liebevoll ausgeführt sind, läßt die Grabmaltüre
(Abb. S. 95) ahnen.
Schramm wurde einmal der letzte Kunst-
gewerbler Berlins genannt. So schlimm ist es
erfreulicherweise um das Handwerk der Reichshauptstadt
doch noch nicht bestellt, und Schramm
steht heute in den besten Jahren, so daß noch
viel Gutes von ihm zu erwarten ist. Aber als
Vorbild mögen seine Arbeiten vielen dienen, die
mit Hammer und Ambos arbeiten. Und man
höre seine Stimme, wenn er, ein Praktiker seltener
Art, in den „Mitteilungen des Deutschen
Werkbundes" für die Erhaltung der Lehrlingsausbildung
durch die Handwerksmeister eintritt,
und wenn er vor einseitiger Ausbildung in Schulwerkstätten
warnt. Schramm kennt sein Fach,
das hat er durch seine Arbeiten bewiesen, er
wird schon wissen, warum er den Segen der
Meisterlehre preist. Leute wie Julius Schramm
müssen gehört werden; ihr Rat kann uns in
diesen Zeiten mehr nützen als die Weisheit
vieler Theoretiker.
Ein besonderes Verständnis hat Professor
Petersen stets seinem Schaffen entgegengebracht,
indem er ihn beratend unterstützte, ihm aber
auch bei den verschiedenartigsten Aufträgen
möglichst freie Hand ließ. Möchten sich öfters
so einsichtige Förderer des Kunsthandwerks
mit Meistern wie Schramm zusammenfinden,
dann wird die deutsche Arbeit allen Widersachern
zum Trotz in der Welt wieder zu gutem
Klang und Namen kommen.
Walther Haas
ASCHENBECHER
AUSFÜHRUNG: JULIUS SCHRAMM, BERLIN
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