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RICHARD TESCHNER-WIEN
FIGURENBÜHNE „PRINZESSIN UND WASSERMANN", III. AKT
zu bemächtigen, gewinnt die Freiheit und mit
ihr die Braut.
Dieses Geschehen wird von den drolligen
Ekstasen des Brunnenmanns, von den pathetischen
Lufttänzen des Magiers sehr lebhaft begleitet
und von einer Szenenreihe unterbrochen
, in der wir die Grotten, Hallen und Dome
des Wasserreiches, ihre blinkenden Prächte und
rieselnden Wunder kennenlernen. Anmut und
Witz, verweilende Stimmungen und wirbelnde
Launen treiben einander und bringen jene eigenartige
Mischung zustande, die sowohl grotesk
als phantastisch ist.
Hinter diesem bunten Vielerlei steht nun die
Persönlichkeit Richard Teschners. Man sucht
die einfache Ursache für die oft widersprechenden
Erscheinungen, den festen Kern des
Naturells für seine unruhigen Kundgebungen.
Und findet ihn zunächst in dem Handwerker.
Nur muß man, um Teschners Charakter gerecht
zu werden, vorerst den Begriff des Handwerkes
in neuer Art formulieren. Merkwürdig:
dieser Phantast ist im Grunde ein „Mechaniker
". Seine Werkstätte ist voll von selbsterfundenen
, sinnreichen Instrumenten. Alle nur
denkbaren Materialien — Steine, Glas, Metall,
Holz, Papier und Leinwand —, alle für sie möglichen
Arbeitsweisen — graphische, malerische
und bildnerische — warten hier auf ihre Berührung
mit dem Instrument, das sie zum Leben
führen soll, — d. h. das ihre Mechanik,
die Form ihrer eigentümlichen Lebendigkeit,
entdeckt. Ein rationell organisierter Intellekt
trifft die Entscheidungen, aber dem sauberen,
feilenden, schleifenden Tun der Hand klingt
es nach wie die ungestillte Sehnsucht eines
Dichters.
Eben deshalb sind die Theaterfiguren Teschners
bezeichnendste Werke. Zunächst sind sie
ja nicht mehr als reinlich geschnitzte, blank
bemalte Holzpuppen, höchst ernsthaft oder
höchst ergötzlich, also die rechten Pole für eine
Dramatik, die die ganze Spanne Shakespearescher
Erfindung durchmessen kann. Dann, in
Bewegung gesetzt, enthüllen sie ihre Mechanik.
Mit langen, dünnen Stäben von unten her regiert
, schreiten sie gemessen einher, mit feierlichen
Haltungen, erstarrten Gebärden und halben
, rührenden Neigungen, — oder aber sie benehmen
sich gravitätisch, gespreizt, springlebendig
und erschütternd komisch. In diesem mittleren
, mechanischen Stadium geben sie ihr Eigenstes
und Bestes. Namentlich die Tragischen unter
ihnen. Wenn sie in Beschaulichkeit verharren,
in Andachten sich beugen, wenn Liebende einander
begegnen, mit leichten Wendungen der
Begrüßung oder des Abschieds, dann geben sie
Schauspiele mimischer Dynamik von einer so
edlen Einfalt und stillen Größe, daß sie über
die menschlichen Darsteller hinauswachsen und
man meint, sie könnten die Urheber werden für
einen neuen Stil des Bühnenlebens. Aber dann
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