Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 44. Band.1921
Seite: 213
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_44_1921/0255
die in Keramik ausgeführten Dosen bleibendere
Zeugnisse des Kunstwollens, das diesen ungewöhnlich
künstlerisch orientierten, zu früh gestorbenen
Industriellenbeiseiner Auswahl bestimmte.

Der Laden am Kurfürstendamm ist daher
eines der vornehmsten Beispiele kaufmännischer
Repräsentation, Zeugnis auch für die Gediegenheit
, auf der unsere industrielle Entwicklung
basiert war. Hier begegneten sich eben nicht
nur Auftraggeber und Künstler in gleichen Absichten
, es stand diesem gemeinsamen Wollen
auch eine handwerkliche Ausführung zu Gebot,
wie sie der künstlerische Aufschwung beispielsweise
in den Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst
in Hellerau bei Dresden gezeitigt hat.

Die dekorative Aufmachung und eine harmonisch
gestimmte Wandverkleidung erschöpft
das eigentliche architektonische Problem solcher
Einbauten nicht. Gerade in der Berliner Verkaufsstelle
für Leibniz-Keks ist die Grundbedingung
für den räumlichen Eindruck, alles
störende, den Überblick hindernde Stützenwerk
zu beseitigen, durch kräftige Unterzüge erreicht
. Der vierstöckige Oberbau ruht auf dem
zentral gestellten starken Betonpfeiler, an den
sich, man möchte es fast als symbolisch empfinden
, die Kasse anlehnt. Diesen konstruktiven
Gedanken des Abfangens einer vierteiligen Last
durch tragkräftige Horizontalen bringt auch
die Fassade zur Geltung. Sie bleibt demgemäß
auch in ihrem Unterbau flächig geschlossen.
Eine nach der Mitte zu abgestufte, dem Herantretenden
sich im Maßstab anpassende Pilaster-
ordnung aus geschliffenem schlesischen Tra-
vertin trägt mit leichter Kannelierung eine
ruhige Stirnfläche, auf der die so ruhige wie
wirkungsvolle Firmenaufschrift angebracht ist.
Die Lichtkegel zweier Lampen betonen von
oben her die beiden Schaufenster, die gleichfalls
menschlichem Maße angemessen sind und
nicht mehr in der leidigen unbeherrschten Weise
die Baufläche ohne alle Rücksicht auf Statik
wie Reflexwirkung aufreißen. Diese Fenster
sind wirklich zum Schauen bestimmte, ruhig
gerahmte Bilder, die den Blick ins Innere
lenken. Den Durchblick fängt nur ein niedriger,
leicht geraffter Vorhang auf, dessen Stangen
von Metallträgern gehalten werden, die von
Platscheckschen Figuren gekrönt sind. Mit dieser
Gestaltung der Außenseite paßt sich Margold
sehr taktvoll dem Berliner Lokalmilieu an und
gelangt gewissermaßen zu einer Synthese des
dort üblichen Klassizismus mit der ihm eigenen
Wiener Flächengeometrie.

Auch beim Inneren liegt etwas von den
Spannungen der vom Aufschwung gesättigten
Zeit in den kubischen Raumbegrenzungen, in
den unvermittelten Gegensätzen heller nackter

Flächen gegen dunkle präzis umrissene Möbel,
an denen selbst wiederum reiche Ornamentstreifen
in Opposition treten zu kühl gleitenden
Politurflächen. Wohlklingende Proportionen,
die der Künstler sicher zu greifen weiß, gewährleisten
eine zuverlässige Eurhythmie. Über
das Gesamtbild aber spannt sich eine schmeichelnde
Melodik schaukelnder Ornamente, die
sich dem Auge unmerklich einprägen. Man
könnte von der Vernunftgemäßheit und Rechtwinkligkeit
im Gesamteindruck befremdet sein,
würde nicht die graziöse Koketterie im Formenspiel
der Details allzugrossen Ernst wiederum
überwinden und verscheuchen. Springen
doch im Gegensatz zu den großen Formen hier
kapriziös zackige Verschachtelungen und kokett
schwankende Ranken aus der Gradlinigkeit der
Begrenzungen auf; dort nisten sich Arabesken
in die Profile des Unterzugs. Ballungen der
Polstersessel und Spannungen der Stuhllehnen
werden vom Rankenspiel der Stukkaturen im
Hintergrund überrollt.

Der Verzicht auf tektonische Interpretation
von Stütze und Last in der kubischen Flächigkeit
der Wandungen, diese bewußte Schlichtheit
der Wirkung aus sich selbst wird noch
betont durch den Gegensatz in der Behand-
lungsweise der Möbel. Denn an diesen wird die
tektonische Gliederung aufs Nachdrücklichste
durch Schmuck hervorgehoben vor den spiegelnden
Holzflächen, über die allein die Maserung
mit jener beglückenden Selbstverständlichkeit
Arabesken spinnt, launig und doch nach vorbestimmten
Melodien, ähnlich wie oben an der
Wand die Inkrustationen. Diese unterschiedliche
Behandlung der raumumgrenzenden Faktoren
und der hineingestellten Körperelemente
verrät eine kluge Ökonomie. Der Raum ist gegeben
und es erscheint aufdringlich, seine Begrenztheit
mehr als unbedingt notwendig zu betonen.
Statt dessen läßt der Künstler den Anteil an der
Unendlichkeit des Raumes mitempfinden. Margold
bedarf daher keineswegs der krafthuberi-
schen renaissancemäßigen Scheinarchitektureffekte
, weil er die Eigenart der räumlichen und
der Flächenwirkung durch wohl aufeinander abgestimmte
Gegensätze zu unterstreichen weiß.

In dem flachen Relief der helltonigen Wand
sitzen halbrunde Nischen. Wie Glaskugeln
sondern sie Licht und Dunkelheit aus dem diffusen
Valeur der schrägbeleuchteten Fläche und
leiten überdies den tektonischen Ausklang des
Möbelunterbaues in die statisch indifferente
Fläche über. In diesen Blickpunkten stehen
wiederum Platschecksche Figuren als Akzente
gerahmt und betont. Diese selbst sind leider
stilistisch nicht so scharf geschliffen, wie die
Ornamentik des Architekten.

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